Festnahmen in Syrien

Das Regime in Damaskus lässt weitere Intellektuelle einsperren, die die Unabhängigkeit des Libanons fordern

BERLIN taz ■ In Syrien geht die Welle der Verhaftungen von Regimekritikern weiter. Am Dienstag und Mittwoch wurden sechs Intellektuelle verhaftet. Sie hatten eine Petition unterschrieben, in der die Regierung aufgefordert wird, ihre Beziehungen zum Libanon neu zu definieren. Unter den Verhafteten ist Syriens bekanntester Menschenrechtsanwalt Anwar al-Bunni, der am Mittwoch aus seinem Haus in Damaskus abgeholt wurde.

Als Anwalt verteidigt al-Bunni in erster Linie aus politischen Gründen Angeklagte. Er leitet das Free Political Prisoners Committee und war immer wieder Schikanen durch die Behörden ausgesetzt. Verhaftet wurden auch der Arzt Safwan Tajfur, der Übersetzer Mahmud Issa, Sleimane al-Chamr, Kamal Cheikho, Chaled Chalifa und der kurdische Aktivist Chalil Hussein. Zwei von ihnen haben schon lange Haftstrafen wegen ihrer politischen Aktivitäten hinter sich.

Bereits am Sonntag waren drei prominente Unterzeichner der Petition verhaftet worden: Die Menschenrechtsaktivisten Mahmud Merhi und Nidal Darwisch und der regimekritische Journalist Michel Kilo. Kilos Verhaftung hatte al-Bunni vor seiner eigenen Festnahme als „Einschüchterung von anderen Regimekritikern“ bezeichnet.

Am 6. April hatten 274 Intellektuelle aus Syrien und dem Libanon die Petition unterschrieben. Darin werden unter anderem die wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit des Libanons und freie Wahlen gefordert. Die Petition war am 11. Mai in libanesischen Zeitungen veröffentlicht worden.

Unterdessen verabschiedete der UN-Sicherheitsrat am Mittwoch die Resolution 1680, die von Damaskus verlangt, den Libanon anzuerkennen, diplomatische Beziehungen aufzunehmen und den Grenzverlauf zu klären. Dreizehn der 15 Ratsmitglieder stimmten zu. Syriens Verbündete Russland und China enthielten sich. Syriens Außenministerium wies die „Einmischung der UNO in innenpolitische Angelegenheiten“ zurück.

KERSTIN SPECKNER

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