Herausforderung Armut

Nach dem Wahlsieg seiner Partei am Dienstag muss der dominikanische Präsident Leonel Fernández zeigen, ob er wirklich Politik für die Mehrheit machen kann

SANTO DOMINGO taz ■ Die Partei der Dominikanischen Befreiung (PLD) des Staatspräsidenten Leonel Fernández Reyna hat die Parlamentswahlen vom Dienstag in der Dominikanischen Republik gewonnen. Damit wird Fernández in der zweiten Hälfte seiner vierjährigen Amtszeit mit einer Mehrheit im Kongress regieren können.

Mit einer selbst von führenden Mitgliedern des Zentralkomitees der PLD nicht erwarteten Sicherheit eroberte die Regierungspartei 19 der 32 Sitze im Senat, und etwa 100 Sitze im Abgeordnetenhaus. Die genaue Sitzverteilung in der zweiten Kammer hängt noch von der Gesamtzahl der eroberten 32 Provinzen des Landes ab. Bisher hatte die oppositionelle sozialdemokratische Partido Revolutionario Dominicana (PRD) und die rechtskonservative Partido Reformista Social Cristiana (PRSC) zahlreiche Gesetzesvorhaben von Leonel Fernández mit ihrer Mehrheit in den beiden Kammern des Kongresses blockiert.

So viel Zustimmung der 52-jährige ehemalige Rechtsanwalt Fernández mit seinem neoliberalen Regierungskurs hat, in der Bevölkerung fand die einstige linke Gruppierung PLD bisher keine große Zustimmung. Die „Neureichen“ werden gerne als „Allesfresser“ abgetan, die mit ihren neuen Statussymbolen, den vierradangetriebenen Geländefahrzeugen, durch die Gegend fahren, aber wenig für die Armen des Landes übrig haben.

Seitdem Leonel Fernández vor zwei Jahren das Regierungszepter übernommen hat, hat sich die Wirtschaft des Landes in Riesenschritten erholt. Sein Amtsvorgänger Hipólito Mejía hatte durch Vetternwirtschaft und Korruption das Land an den Rand des Ruins, das Wirtschaftswachstum in die Minuszone getrieben. Im Vorjahr konnte „Leoncito“, „der kleine Löwe“, wie seine Anhänger Fernández nennen, eine Wachstumsrate von 9,3 Prozent vermelden, in den ersten drei Monaten dieses Jahres soll sie sogar nach Angaben des Präsidentenbüros bei über 12 Prozent liegen. Der Dollar-Peso-Wechselkurs ist stabil. Unter „Leonels“ Vorgänger Mejía war der Peso nur halb so viel wert wie heute. Aber der in den Statistiken ausgewiesene Fortschritt kommt nicht allen gleichermaßen zugute: Stattdessen spricht man von einer zumindest „gefühlten Verarmung“ der Bevölkerung.

„Die Wirtschaft hat sich zwar erholt“, sagt Fernsehkommentator José Israel Cuello. „Aber die Armen haben nichts davon, weil kaum Arbeitsplätze für sie geschaffen werden“, analysiert der frühere Chef der Kommunistischen Partei den Wirtschaftsboom. Drei Millionen der rund 8,7 Millionen Einwohner leben nach wie vor an der Armutsgrenze oder darunter.

Die Telekommunikationsbranche brummt. Neue Sendemasten werden für die immer größere Schar von Handybesitzern errichtet. Aber im Elektroniksektor werden vornehmlich ausländische Spezialisten eingesetzt. Auch im Baubereich brummt es: Eine Metro soll das tägliche Verkehrschaos lindern, moderne Hochhäuser erheben sich. Aber die manuellen Arbeiten werden mehrheitlich von haitianischen Illegalen für Minilöhne ausgeführt.

Dass die positive Wirtschaftsentwicklung nicht bis in die Armenviertel spürbar ist, begründeten Leonel Fernández und seine Berater bisher mit der Blockadepolitik der Opposition im Senat und im Abgeordnetenhaus. Jetzt, mit der Mehrheit im Kongress hinter sich, wird PLD-Chef Fernández in den verbleibenden zwei Jahren beweisen müssen, dass seine Wirtschaftspolitik auch Verbesserungen für die Armen des Landes bringt.

HANS-ULRICH DILLMANN