Abschied von der Realwirtschaft

DEUTSCHE BANK Josef Ackermann peilt trotz Finanzkrise eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent an und sagt, auch im Mittelstand seien solche Gewinne möglich. Wirklich?

Es handelt sich um einen klassischen Äpfel-Birnen-Vergleich, mithin um Publikumsverarschung

VON NICOLA LIEBERT

New York: Die New Economy kollabiert – die Rendite sitzt. Düsseldorf: Die IKB-Bank fällt der Finanzkrise zum Opfer – die Rendite sitzt. Brüssel: Der Euro ist in Gefahr – die Rendite sitzt. So etwa lässt sich das Geschäftsmodell der Deutschen Bank beschreiben. Oder das Weltbild ihres Chefs Josef Ackermann, so genau kann man das nicht trennen.

25 Prozent Rendite bezogen aufs Eigenkapital hat sich die Deutsche Bank vorgenommen. Im vergangenen Quartal übertraf sie mit 30 Prozent ihr Ziel sogar deutlich. Nur moralinsaure Kapitalismuskritiker schienen das bislang anstößig zu finden.

Doch jetzt reicht es sogar der Bundesregierung. Eine solche Rendite könne ein produzierendes Unternehmen nicht leisten, schimpfte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in einem Interview. „Daraus müssen wir schließen, dass der Finanzmarkt sich nur noch um sich selbst dreht, statt seine Aufgabe zu erfüllen und eine vernünftige, nachhaltig wachsende Wirtschaft zu finanzieren.“

Daraufhin zeigte Ackermann dem Bundesfinanzminister, wo der Hammer hängt. Über einen Sprecher tat er kund: „Die Behauptung, eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent vor Steuern sei in der sogenannten realen Wirtschaft nicht zu erzielen, ist nachgewiesenermaßen falsch und wird auch durch Wiederholung – von wem auch immer – nicht richtig.“ Ein Banksprecher, der einem Minister sagt, er rede nachweislich Blödsinn – das ist dreist. Und ein gutes Symbol dafür, wo sich bei uns die Macht verortet: im Finanzsektor.

Ein normaler Anleger muss mit etwa einem Zehntel dessen vorlieb nehmen, was Ackermann für normal hält. Aber verwies der Deutsche-Bank-Sprecher nicht auf Untersuchungen der Bundesbank, wonach auch mittelständische Betriebe eine Eigenkapitalrendite von mehr als 25 Prozent erreicht hätten? Stimmt schon. Es handelt sich dabei aber um einen klassischen Äpfel-Birnen-Vergleich. Mithin um Publikumsverarschung.

Firmen können sich auf zwei Weisen finanzieren: mit Eigenkapital – Einzahlungen von Gesellschaftern oder Aktionären und einbehaltenen Gewinnen – oder mit Fremdkapital, vulgo: Krediten. Produzierende Firmen tätigen ihre Investitionen meistens per Kredit. Viele Mittelständler haben so gut wie kein Eigenkapital, denn mit Fremdkapital lassen sich auch Steuern sparen. Selbst bei einer GmbH mit dem vorgeschriebenen Eigenkapital von 25.000 Euro reichen 6.250 Euro Gewinn, um das 25-Prozent-Ziel zu erreichen.

Für Banken gelten ganz andere Regeln. So müssen sie zur Risikoabsicherung mindestens 8 Prozent ihrer Forderungen mit Eigenkapital unterlegen. Da kommen ganz schöne Summen zusammen – 40 Milliarden Euro im Fall der Deutschen Bank. 25 Prozent Rendite entsprächen dann einem Jahresgewinn von 10 Milliarden Euro. In der Realwirtschaft bringt es selbst ein Überflieger wie Google gerade mal auf die Hälfte.

Die Fixierung auf die Eigenkapitalrendite statt auf reale Größen wie Gewinn, Beschäftigtenzahlen oder Menge und Qualität der produzierten Waren ist also Unsinn. Dass sich die gesamte Wirtschaft dennoch darum dreht, erklärte der Würzburger Ökonom Karl-Heinz Brodbeck unlängst so: „Die Finanzmärkte haben das Kommando übernommen.“ Was zählt, ist nur noch Kapital und Rendite und nicht die Realwirtschaft. Da hat Schäuble letztlich recht.