Assistent in der Hauptrolle

ROLLENTAUSCH Roy Keane kehrt als Co-Trainer zurück in die irische Nationalmannschaft. Der Verräter von einst wird hochoffiziell rehabilitiert

Irland hat auch einen neuen Cheftrainer. Martin O’Neill heißt der Mann

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Wer kennt den Assistenztrainer von Brasilien? Oder von Italien, von Spanien? Niemand, jedenfalls nicht außerhalb dieser Länder. Roy Keane hingegen kennen viele, er ist auch über Irlands Grenzen hinaus berühmt, aber nicht unbedingt aus positiven Gründen. Seit gut einer Woche ist der 42-Jährige Assistenztrainer der irischen Fußballnationalmannschaft. Nach allem, was vorgefallen ist, war das nicht zu erwarten.

Keane, einer der wenigen irischen Spieler von Weltklasse, hatte die Nationalmannschaft als Kapitän zur Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea geführt. Noch vor Beginn der Spiele beschwerte er sich über die mangelhaften Trainingsbedingungen und bescheinigte Mick McCarthy, ein schlechter Trainer und „nichts als ein blöder Wichser“ zu sein. McCarthy nahm das persönlich und schickte Keane nach Hause, die Iren schieden im Achtelfinale gegen Spanien nach Elfmeterschießen aus. Die Nation war gespalten. In Cork, Keanes Heimatstadt, standen sie auf seiner Seite, der Rest des Landes hielt ihn für einen Verräter.

Kurz darauf erschienen Keanes Memoiren, und wieder gab es Ärger. Er räumte in dem Buch ein, dass er ein Jahr zuvor Alf Inge Haaland, den norwegischen Mittelfeldspieler von Manchester City, absichtlich schwer verletzt hatte. Keane war wütend auf Haaland, weil er sich vier Jahre zuvor bei dem Versuch, Haaland zu foulen, selbst verletzt hatte und zehn Monate nicht spielen konnte. Noch auf dem Spielfeld hatte ihn der Norweger höhnisch als Simulanten verspottet. Menschen aus Cork sind nachtragend.

Es war nicht Keanes einziger Fehltritt, aufgrund seiner Alkoholprobleme war er öfter in Schlägereien auf dem Platz oder im Wirtshaus verwickelt, was ihm sogar eine Nacht in einer Gefängniszelle einbrachte. Aber wenn er sich aufs Fußballspielen konzentrierte, war er überragend. Er hält zwar mit 13 Roten Karten den englischen Rekord, aber als Kapitän von Manchester United war niemand erfolgreicher als Keane. Er wurde zum Fußballer des Jahres gewählt, und Pelé zählte ihn in der offiziellen Fifa-Liste zu den besten Spielern der Welt. Die United-Fans liebten Keane, obwohl er sie als „Krabben-Sandwich-Brigade“ beschimpfte.

Und seine bisherige Trainerkarriere? Schwamm drüber. In Sunderland, mit dessen Mannschaft er zwar den Aufstieg in die Premier League geschafft hatte, kündigte er in der Folgesaison mangels Erfolg, in Ipswich warfen sie ihn aus demselben Grund nach zwei Jahren hinaus. In Irland war sein Einstand erfolgreicher: Am Freitag gewannen die Iren in einem Freundschaftsspiel gegen Lettland mit 3:0. Einige gute Spieler, die unter dem bisherigen Trainer Giovanni Trapattoni ausgebootet waren, weil sie ihn – unter anderem durch nächtliches Gitarrenspiel – verärgert hatten, sind zurückgekehrt. Auffallend war, dass die Iren neuerdings sogar Kurzpässe wagen. Trapattoni hatte ihnen das verboten, weil er es ihnen nicht zutraute. Ein weiterer Unterschied: Das neue Trainergespann spricht Englisch. Trapattoni hatte das bis zum Schluss seiner fünfjährigen Tätigkeit nicht gelernt, weil er nur wenig Zeit in Irland oder England, wo die Spieler seiner Mannschaft gearbeitet haben, verbracht hatte.

Ach, übrigens: Neuer Cheftrainer der Iren ist Martin O’Neill, 64-maliger nordirischer Nationalspieler. Im Gegensatz zu Keane war er als Trainer bisher recht erfolgreich. Er hat sieben britische Clubs trainiert, der wichtigste war Celtic Glasgow, mit dem er dreimal schottischer Meister wurde. Er sei der Boss der irischen Mannschaft, versicherte O’Neill optimistisch. Auf die Frage, warum er sich ausgerechnet Keane als Assistenten ausgesucht habe und wie das mit dem Yin und Yang sei, antwortete er, das sei doch ganz einfach: „Ich bin der böse Bulle, er ist der ganz böse Bulle.“