DAUMENKINO
: „Die Tribute von Panem – Catching Fire“

Einem Teil der Zielgruppe erteilt die Hauptfigur Katniss in „Tribute von Panem – Catching Fire“, dem etwas unentschlossenen Mittelstück der gegenwärtig marktführenden Blockbuster-Trilogie, eine Absage. Auf die Frage ihres Freundes, ob sie ihn noch liebe, entgegnet die junge Heldin pragmatisch, dass sie darüber angesichts der Umstände (der Präsident hat es auf ihr Leben abgesehen, die nächsten Hungerspiele stehen an, in den Provinzen brauen sich Unruhen zusammen) gerade nicht nachdenken könne. Keine Zeit für Romantik – darin besteht der größte Unterschied zur leicht anämischen Isabelle (Kristen Stewart) aus den „Twilight“-Filmen oder zu Hermine aus „Harry Potter“ (Emma Watson). Jennifer Lawrence, die Darstellerin der Katniss, besitzt für eine romantische Mädchenheldin eine zu physische Konstitution. „Die Tribute von Panem“-Trilogie ist aus einem härteren Holz geschnitzt als die übrigen Jugendbuchadaptionen. Sie beschreibt allerdings auch einen komplexeren gesellschaftlichen Entwurf als die meisten Hollywood-Franchises.

„Catching Fire“ kommt die undankbare Aufgabe eines jeden Trilogie-Mittelteils zu, einerseits die etablierten Figuren und Konstellationen wiederaufzunehmen und zugleich den Abschluss der Reihe einzuleiten. Auch Francis Lawrence’ Fortsetzung leidet unter diesem Dilemma. Sein Film zerfällt in zwei Teile, wobei der erste ihm eindeutig mehr gestalterischen Spielraum lässt als der zweite, der das Setting des Vorgängers lediglich etwas aufwendiger variiert – als kinotaugliche Version der TV-Serie „Lost“. Die erste Hälfte verleiht der Dystopie der „Panem“-Filme dagegen ein gesellschaftliches Profil. Katniss ist nach ihrem Außenseitersieg zum Postergirl der Unterprivilegierten avanciert. Ihre Siegertour durch die zwölf Provinzen von Panem – sie erinnern an die prekären Regionen der USA – weckt beim Mob den berechtigten Wunsch nach Wandel, worauf der Präsident (sardonisch gut wie immer: Donald Sutherland) eine Sonderedition der „Hungerspiele“ ausruft. Um das aufrührerische Potenzial der Kämpferelite zu eliminieren, sollen die vorherigen Sieger gegeneinander antreten.

Die Vorstellung eines permanenten Ausnahmezustands hat das US-Kino in den vergangenen Jahren zu immer abstruseren Utopien beflügelt. Der Aufstand der „Ungewaschenen“, auf den der Cliffhanger von „Catching Fire“ hinausläuft, verspricht dabei durchaus soziale Brisanz. So weit man das derzeit beurteilen kann, werden sich auch künftig keine weiblichen „Panem“-Fans die Haare wie Katniss Everdeen frisieren. ANDREAS BUSCHE

■ „Die Tribute von Panem – Catching fire“. Regie: Francis Lawrence. Mit Jennifer Lawrence, Donald Sutherland u. a. USA 2013, 146 Min.