Der Irak hat endlich eine Regierung

Fünf Monate nach den Parlamentswahlen stellt Ministerpräsident Maliki sein Kabinett vor. Doch ausgerechnet bei den Ministerien, die für Sicherheitsfragen zuständig sind, konnte keine Einigung erzielt werden. Mindestens 50 Tote seit Samstag

VON KARIM EL-GAWHARY

Am Ende musste die neue irakische Regierung dann doch per Kaiserschnitt auf die Welt gebracht werden. Kurz vor Ablauf der entsprechenden Frist am heutigen Montag und über fünf Monate nach den Parlamentswahlen im Dezember präsentierte der irakische Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki am Wochenende nun doch ein – wenngleich unvollständiges – Kabinett. Ausgerechnet die für die Sicherheit zuständigen Ministerien konnten nur provisorisch besetzt werden. Dennoch kündigte Maliki gestern bei der ersten Kabinettssitzung an, „maximale Gewalt anzuwenden, um des Terrorismus Herr zu werden“. Gleichzeitig will er auch den „nationalen Dialog fördern“.

Das neue Kabinett umfasst erstmals alle ethnischen und konfessionellen Gruppen. Unter den 36 Ministern sind 17 Mitglieder des schiitischen Parlamentsbündnisses, dem auch der Premier angehört, 7 Kurden, die gleiche Anzahl Sunniten und fünf Säkulare. Es ist die erste irakische Regierung seit dem Sturz Saddam Husseins vor drei Jahren, die ohne das Beiwort des Übergangs antritt.

Und doch bleibt sie zunächst ein Provisorium, denn das Innen- und Verteidigungsministerium sowie der Posten des Nationalen Sicherheitsberaters wurden nur kommissarisch besetzt. Das Innenministerium wird zunächst von Premier Maliki selbst geleitet, das Verteidigungsministerium von Salam al-Zobaie, der zur sunnitischen Konsensfront gehört. Zobaie wurde von dem Schiiten Maliki außerdem zum Vizeministerpräsidenten ernannt. Zweiter Stellvertreter wurde der Kurde Barham Saleh. Er soll auch als provisorischer nationaler Sicherheitsberater fungieren. Ölminister wurde der als unabhängig geltende Schiit Hussain al-Shahristani. Der Kurde Hoschiyar Zebari behält das Amt des Außenministers. Die neue Regierung soll nun vier Jahre im Amt bleiben.

Die US-Regierung sprach in einer ersten Erklärung von einem „neuen Kapitel“. Die nächste Zeit werde „große Herausforderungen“ bringen. „Aber die irakische Führung weiß, dass sie diese nicht allein meistern muss. Die USA und alle freiheitsliebenden Nationen der Welt stehen dem Irak zur Seite, der seinen Platz unter den Demokratien und als Verbündeter im Krieg gegen den Terrorismus einnimmt.“

Maliki stellte nach der Vereidigung der Minister ein 34-Punkte-Programm vor. Die Regierung habe drei Herausforderungen zu meistern, erklärte er bei der Vorstellung seines Kabinetts: „Terroristen, die die Menschen willkürlich umbringen, ohne jeglichen Respekt vor dem menschlichen Leben; die Korruption auf allen Ebenen, durch die der Reichtum des Landes gestohlen wird; sowie die darniederliegenden Dienstleistungen wie die Strom- und Wasserversorgung.“

Wie schwierig die Bildung der Regierung war, zeigen nicht nur die offenen Ministerposten und die Verschiebung der Vereidigung um zwei Stunden wegen Gerangels hinter den Kulissen. Bei der Amtseinführung der Minister, die einzeln per Handheben vom 275-köpfigen Parlament bestätigt werden mussten, kam es zu einem Eklat. Kurz vor Beginn des Verfahrens ergriff der Vorsitzende der zweitgrößten sunnitischen Partei das Mikrofon und protestierte gegen die Art, wie die Posten verteilt wurden. Seine Partei werde sich nicht an der Regierung beteiligen, „weil diese auf der Basis eines ethnisch-religiösen Proporzsystems gebildet wurde“, erklärte Saleh al-Mutlak, bevor ihm das Mikrofon entrissen wurde und er mit zehn Abgeordneten den Saal verließ. Später schwächte er seine Aussage allerdings gegenüber dem arabischen Fernsehsender al-Arabija ab und sprach davon, dass er alles Positive, was von Malikis Regierung kommt, unterstützen werde.

Die schwerste Aufgabe für die neue Regierung ist die Wiederherstellung vom Sicherheit und Ordnung. Sunnitische Aufständische verüben weiter Anschläge, schiitische Milizen im Namen des Innenministeriums schicken Todesschwadronen aus und mafiose kriminelle Banden treiben ihr Unwesen. Seit der Regierungsbildung am Samstag kamen mindestens 50 Personen ums Leben. Außerdem wurden die Leichen 22 Menschen gefunden, die zuvor von Todesschwadronen verschleppt, gefoltert und dann exekutiert wurden.

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