Literarische Dribblings
: Die Kugel gleitet

sucht Sport in der Literatur

Andreas Rüttenauer

Am Samstag hat Michelle Hunziker wieder ihren Busen in die Kameras halten dürfen. Als Co-Moderatorin von Thomas Gottschalk durfte sie wieder bezaubern und pralles Glück ausstrahlen. „Es war ein Wonderbra“, hat sie verraten, als die ersten Vermutungen hochkochten, sie hätte ihre Brüste operativ auspolstern lassen. Solche Fragen würde auch Claudia gerne beantworten. Die ist so wie Hunziker auch Schweizerin und war einmal Vierte beim Wettbewerb um den Titel einer Miss Schweiz. Dann hat sie sich einen Fußballer geangelt – Tom Keita, einen Stürmer aus Guinea. Weil der so gut ist, dass sogar der Klubpräsident, der im Hauptberuf rechtspopulistischer Politiker ist, ihn einbürgern und für die Schweiz zur WM fahren lassen will, erhofft sie sich als Spielerfrau einen Karrieresprung. Sie will ins Fernsehen.

Das hat Michelle Hunziker ja längst geschafft. Ob Claudia es schafft, weiß man nicht. Am Ende des Romans „Doppelpass“ von Charles Lewinsky ist sie jedenfalls noch kein TV-Star. Die geplante Hochzeit mit Tom Keita, der mit seiner dunklen Haut so schön ausgesehen hat in seinem blütenweißen Hochzeitstrachtenanzug, findet dann doch nicht statt. Das liegt auch an Toms Cousin Mike. Der ist als Flüchtling aus Guinea in der Schweiz gestrandet, wird als rechtloser Immigrant von der rassistischen Mehrheitsgesellschaft rumgeschubst, und es hilft ihm auch nichts, als sich der Starkicker mit ihm solidarisiert, nachdem sich Mike von einem sensationslüsternen Reporter dazu hat überreden lassen, sich in ein Kirchenasyl zu flüchten. Am Ende wird er abgeschoben. Claudia, von der ein Fotoreporter sagt, sie würde sich das Gehirn amputieren lassen, damit die Frisur besser sitzt, ist entsetzt über das Engagement ihres Verlobten, ebenso der Rechtsaußen der Schweizer Volkspartei, der Tom Keita dafür benutzen wollte, sein allzu rassistisches Image aufzupolieren. Am Ende muss der Schweizer Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld auf Tom Keita verzichten. Der Starkicker sitzt neben seinem Cousin im Flugzeug. Für das Gute hat er seine Karriere geopfert. Da menschelt es dann und die Seiten werden arg schmalzig beim Lesen. Ausgerechnet in der zur Rechtsaußenpostille verkommenden Weltwoche ist Lewinskys Story als Fortsetzungsroman erschienen. „Hier hatte ich die Möglichkeit, gewissermaßen durch die Hintertüre an den Stammtisch zu gelangen“, sagt Lewinsky dazu. Er benutzt den Fußball, um sein Thema, das Zweiklassenrecht für Ausländer in der Schweiz, zu transportieren. Und so ist sein Buch an etlichen Stellen auch ein Fußballbuch. Kostprobe: „Tom stand mit dem Rücken zum gegenerischen Tor, ein weiter hoher Pass kam direkt auf ihn zu, und er stoppte ihn nicht mit der Brust, wie das alle erwarteten, sondern leitete ihn mit einem Fallrückzieher direkt weiter. Präzis ins Lattenkreuz. Unhaltbar.“ Nun ja. Der Literat verdribbelt sich beim Transport seines Anliegens selten derart wie an den Stellen, an denen er zum Sportreporter wird.

„Der genau getimte Pass erreichte seinen rechten Außenverteidiger kurz hinter der Mittellinie. Punktlandung auf der mächtigen Brust des routinierten Dauerläufers. Die Kugel glitt auf seinen rechten Fuß.“ Auch nicht viel besser. Reinhard Boos schreibt das in seinem Kriminalroman „Tödliches Finale“. Der ist 2003 erschienen. Schiedsrichter kommen darin ums Leben. In der Tasche eines Spielers werden Wettscheine gefunden. Es geht um Manipulation in der zweiten Bundesliga. 2005 hat Robert Hoyzer zugegeben, als Schiedsrichter in Spielausgänge eingegriffen zu haben. Am Dienstag hat der DFB vier Spieler gesperrt, die Kontakt zu Wettbetrügern hatten. Hätte all das verhindert werden können, wenn die richtigen Menschen zur richtigen Zeit das Boos-Buch gelesen hätten?