vor ort
: BORIS R. ROSENKRANZ über Fluglärm gebeutelte Ratinger, die um ihre Lernfähigkeit bangen

Flugzeuge sind super – wenn man drin sitzt und auf die Malediven fliegt. Von der Erde aus betrachtet, machen die Dinger aber vor allem eins: Lärm. Das wissen die Menschen im Ratinger Stadtteil Tiefenbroich nur allzu gut. Rund 6.500 Menschen wohnen hier. Und alle paar Minuten rauscht ein Flugzeug über ihre Köpfe hinweg. Deren Ziel: der Düsseldorfer Flughafen. „Man hat den Eindruck, die Flugzeuge regelrecht vom Himmel greifen zu können“, sagt Klaus Pesch, Kämmerer der Stadt. Kein Wunder. Über Ratingen sind die Flieger im Landeanflug. Es dröhnt und donnert. Und was Pesch in dieser Bezeihung vor allem Sorgen macht, sind die Kinder und Jugendlichen in den Schulen des Stadtteils. Studien zur Folge kann sich Fluglärm nämlich auf deren Lernfähigkeit auswirken. Kann. Ob das auch in Ratingen so ist, will Pesch nun rausfinden – mit einer eigenen Studie.

Dass sich der Kämmerer mit dieser Sache befasst, ist nicht ungewöhnlich. Pesch beschäftigt sich schon länger mit allem, was sich um den Düsseldorfer Airport dreht. Als Wissenschaftler bereits andernorts forschten, wie sich Fluglärm auf die Gesundheit auswirkt, wurde Pesch aufmerksam. Rund 100.000 Euro, das hat der Ratinger Stadtrat einstimmig beschlossen, sollen nun in die Untersuchung fließen. Eine zweigeteilte Studie: Einerseits sollen Schüler einer betroffenen Schule über einen längeren Zeitraum beobachtet werden. Andererseits soll deren Leistungsfähigkeit mit der anderer Schüler an nicht betroffenen Schulen verglichen werden. Aber was kann dieser Lärm eigentlich ausrichten?

Einer, der es wissen muss, sitzt in Berlin: Christian Maschke vom Interdisziplinären Forschungsverband Lärm und Gesundheit. Maschke spricht etwa von verminderter Lesefähigkeit durch Lärm oder von einer Beeinträchtigung des Gehirns. „Lärm kann Sprache überdecken“, sagt Maschke. Und Kinder könnten, im Gegensatz zu Erwachsenen, „unvollständiges Wortmaterial noch nicht ergänzen“ – diese Fähigkeit würden sie sich gerade erst aneignen. Viel Schlimmer aber noch: Lärm lässt die Schere zwischen leistungsfähigen und weniger leistungsfähigen Kindern weiter auseinander gehen: „Kinder, die ohnehin schlecht sind, werden durch Fluglärm noch schlechter“, weiß Maschke. Defizite könnten durch gezielte Förderung zwar aufgefangen werden. Aber Förderung komme wiederum meistens bloß jenen zugute, die sie eigentlich nicht so dringen bräuchten.

Womit wir bei einer anderen Frage wären: Was will die Stadt Ratingen eigentlich mit so einer Studie? Irgend jemanden für eventuelle Schäden haftbar machen? Gegen den Flughafen arbeiten? „Von ‚gegen‘ möchte ich derzeit nicht sprechen“, sagt Kämmerer Pesch vorsichtig. Zunächst will er alle mit ins Boot holen: den Flughafen, Eltern, Schüler, auch NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU). Und dann gilt es zunächst, die Ergebnisse der Studie abzuwarten. Losgehen soll es frühestens nach den Sommerferien. Aber auch Maschke sagt: „Wenn man die Auswirkungen des Lärms kennt, muss man sich fragen: Wer trägt die Kosten?“ Das ist noch zu klären.