Vier Festnahmen

Vier weitere Personen nach Richtermord in der Türkei verhört. Die Gefahr politischer Instabilität wächst

ISTANBUL taz ■ Ein Untersuchungsrichter in Ankara hat gestern die Verhaftung von vier Verdächtigen nach dem Mord an dem Obersten Verwaltungsrichter Mustafa Yücel Özbilgin vor einer Woche bestätigt. Die vier, die verdächtigt werden, den Attentäter Alparslan Aslan unterstützt zu haben, werden des versuchten Umsturzes der säkularen Ordnung angeklagt. Zudem werden weitere vier Verdächtige von der Staatsanwaltschaft verhört. Darunter befindet sich ein ehemaliger, unehrenhaft aus der Armee entlassener Militär, mit dem Aslan vor dem Attentat mehrfach telefoniert hatte. Der Mann soll zu einer rechtsextremistischen Organisation gehören, die für ein Attentat auf den bekannten Menschenrechtler Akin Birdal verantwortlich gemacht worden war.

Die Verbindung dieses Mannes zu dem Attentäter heizt Gerüchte an, dass der Islamist Alparslan Aslan von rechten Exgeheimdienstkreisen benutzt worden sein könnte, um den Konflikt zwischen der islamisch orientierten Regierung und dem säkularen Teil der türkischen Bevölkerung zu eskalieren.

Tatsächlich stand die Regierung Erdogan seit dem Amtsantritt 2002 nie so in der Kritik wie im Moment. Die Beerdigung des Richters war am letzten Donnerstag zu einer Demonstration für eine laizistische Türkei geraten. Mehr als 40.000 Teilnehmer forderten den Rücktritt Erdogans und beschimpften Außenminister Gül und Vizeministerpräsident Abdüllatif Sener, die anwesend waren, als Mörder. Erdogan selbst war der Beerdigung ferngeblieben.

Im Anschluss an die Beisetzung zeigte sich Generalstabschef Hilmi Özkok erfreut über die rege Teilnahme und forderte die Bevölkerung dazu auf, jeden Tag für den Laizismus zu demonstrieren. Ministerpräsident Erdogan wies den Generalstabschef in die Schranken und fragte, ob der General die Angriffe der Menge auf die Minister unterstütze. Gestern versuchten die beiden Betroffenen, den Konflikt etwas zu dämpfen. „Zwei Stimmen der Vernunft“ titelte Hürriyet und zitierte Abdullah Gül und Abdüllatif Sener, die sich zur Verfassung bekannten und vor einer Rückkehr der dunklen Zeit in den 90er-Jahren warnten.

Die ersten Konsequenzen der politischen Spannungen zeigen sich am Finanzmarkt. Die türkische Börse ist über den internationalen Abwärtstrend hinaus abgestürzt, weil ein großer Teil ausländischen Kapitals zurückgezogen wurde. Die Lira verlor in wenigen Tagen mehr als zehn Prozent gegenüber Euro und Dollar.

JÜRGEN GOTTSCHLICH