Stöß zeigt klare Kante

POSITION Der als links geltende SPD-Landesvorsitzende frühstückt mit Unternehmern und disst bei dieser Gelegenheit den Protest gegen Wohnbebauung im Allgemeinen und am Tempelhofer Feld im Besonderen

Es gab mal einen SPD-Bundeschef namens Franz Müntefering, der gerne davon sprach, klare Kante zu zeigen. Das hieß so viel wie Klartext reden, zu seinen Überzeugungen stehen. Jan Stöß, eine Hierarchieetage tiefer angesiedelter Berliner SPD-Chef und mehr als eine Generation jünger als Müntefering, ist eher ein Mann, der die Dinge intellektuell ausdrückt. Einer, der in einem Pressestatement zu schwarz-roten Koalitionsverhandlungen schon mal einen Begriff wie „Kontrahierungszwang“ nutzt.

Am Donnerstag aber, bei einem Frühstück der Industrie- und Handelskammer (IHK), zeigt auch Stöß klare Kante. Auf den dringend benötigten Wohnungsneubau in Berlin kommt er zu sprechen – dafür seien alle, solange es bei der Idee bleibt. Sobald die aber in unmittelbarer Nachbarschaft real werde, „haben Sie eine Bürgerinitiative, so schnell können Sie gar nicht gucken“, sagt Stöß. „Da ist von Gezipark-Protest die Rede, wenn zwei Pappeln gefällt werden.“

Freund-Feind-Denken

Nun muss man daran erinnern, dass Stöß bei den Sozialdemokraten ein Linker ist und kein für Berliner SPD-Verhältnisse reaktionärer Vertreter wie Müntefering, den Exekutor der Hartz-IV-Reformen. Dass aber trägt bei ihm nicht zu größerer Begeisterung für Basiswiderstand bei.

Stattdessen wirbt er bei der IHK – im klassischen Freund-Feind-Denken ein natürlicher Gegner der Linken – um Unterstützung. Bündnispartner suche er, sagt er vor den über hundert Unternehmern und Führungskräften im Raum. Und zwar für den Volksentscheid „100 % Tempelhofer Feld“. Oder richtig gesagt: dagegen. Denn nach Stöß’ Lesart geht es dabei darum, „ob es Wohnungsneubau geben wird oder kein Grashalm geknickt werden darf“.

Bei der IHK bringt ihm das erwartungsgemäß Applaus ein. Später beteuert Stöß, dass er überall gleich rede, egal ob beim SPD-Parteitag oder vor den Unternehmern. Das könnten die Initiatoren des möglichen Volksentscheids, die noch bis Januar Zeit haben, die nötigen 173.000 Unterschriften zu sammeln, mal antesten: ihn einladen und gucken, ob Grashalm und Gezipark bei ihnen auch vorkommen.

Stöß, der ja Dr. jur. Stöß ist, hat sich passenderweise schon bei seiner Doktorarbeit an diesem Thema abgearbeitet. Der Titel: „Großprojekte der Stadtentwicklung in der Krise“. STEFAN ALBERTI