MICHAEL BRAUN ÜBER DIE HINTERGRÜNDE DER „NATUR“-KATASTROPHEN IN ITALIEN
: Jenseits des Klimawandels

Ein Unwetter, 16 Tote, allesamt ertrunken in den reißenden Fluten, oft mitten in Dörfern und Städten: Sardinien erlebte am Montag eine wahre Tragödie. Man mag das Naturkatastrophe nennen; schließlich ergoss sich binnen weniger Stunden über dem Norden und dem Zentrum der Insel eine Regenmenge, wie sie sonst in einem halben Jahr herunterkommt.

Doch es ist nicht einfach Schicksal im Spiel, wenn Italien immer wieder in den letzten Jahren ähnliche Katastrophen erlebte. Und es ist auch nicht bloß der Klimawandel, der – dank gestiegener Meerestemperaturen – die Wahrscheinlichkeit von Unwettern mit exorbitanten Regenmengen erhöht hat.

Nicht umsonst rechtet Italiens Öffentlichkeit auch jetzt wieder mit der völlig verfehlten Landschaftspolitik, die das Land in den letzten 50 Jahren prägte. Da ist zum einen die Bauwut, die auch durch die jetzige Krise nicht gestoppt, sondern bestenfalls gebremst wurde, eine Bauwut, in der Bodenversiegelung und Naturzerstörung fernab öffentlicher Kontrolle fröhlich miteinander einhergingen.

Und da ist zum anderen ein fast kompletter Verzicht auf Instandhaltung oder Sanierung der Natur; lächerliche Beträge haben die Staatshaushalte für vorbeugende Maßnahmen gegen Bodenerosion, für Flussbettsäuberungen und Ähnliches parat. Und so erlebt das Land wieder das triste Ritual: Tote sind zu beklagen, dazu Milliardenschäden, drei Tage lang wird die mangelnde Vorbeugung angeprangert – und dann geht Italien wieder zur Tagesordnung über.

Zu einer Tagesordnung, die auch in Sardinien schon wieder neue Pläne vorsieht, kräftig weiterzubauen. Das soll schließlich „Wachstum“ garantieren – garantiert vor allem aber eines: Die nächste „Natur“-Katastrophe kommt bestimmt.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 9