Rache oder Hedonimus?

GANS Der natürlich gewachsene Fettanteil bei Weidenmast macht den intensiveren Geschmack

■ Biolüske: Neben den Freilandgänsen führt der Biosupermarkt unter anderem Perlhühner, Wachteln, Fasane und Enten. www.biolueske.de

■ KaDeWe: Dort gibt es einebesondere Delikatesse, die friesische Salzwiesengans, auf den Schwemmböden zwischen Deich und Nordsee natürlich ernährt. Ihr Fleisch ist besonders würzig und kalorienarm. www.kadewe.de

■ Fleischerei Bachhuber: Spezialität des Neuland-Fleischers sind neben Markeruper Biogänsen aus Schleswig-Holstein die Barbarie-Enten aus französischer Freilandhaltung. Vorbestellung: www.fleischerei-bachhuber.de

■ Domäne Dahlem: Geflügel in Bioland-Qualität, etwa die feinen Spreewaldgänse aus Freilandhaltung. www.domaene-dahlem.de

■ Frischeparadies Lindenberg: Riesenauswahl, von Hafermastgans über Oldenburger Enten bis zu Wild wie Fasan oder Wachteln. www.frischeparadies.de

VON MICHAEL PÖPPL

Sankt Martin soll an allem schuld sein. Denn, so die Sage, als der Heilige im Jahr 372 n. Chr. zum Bischof von Tours gewählt werden sollte, versteckte er sich in einem Gänsestall. Die wachsamen Tiere machten aber solch einen Krach, dass er entdeckt wurde und dem ungeliebten Amt nicht entkam. Seitdem steht das vorlaute Geflügel ab November auf der Speisekarte, eine eigentlich eher unchristliche Rache. Der traditionelle Gänsebraten, den auch europäische Nachbarn wie Franzosen, Polen und Briten schätzen, hat aber wohl eher mit dem vorweihnachtlichen Fastengebot zu tun, das nach dem St.-Martins-Tag am 11. November begann und erst mit Epiphanias, der Erscheinung Christi, am 6. Januar endete. Die katholisch-hedonistischen Mönche feierten deshalb den letzten Tag des Genusses ebenso wie den ersten nach der Fastenzeit mit einem üppigen Gänsebraten.

Neben der winterlichen Lust auf Deftiges hat das Gänseschlachten zum Ende des fetten Herbstes auch ganz pragmatische Gründe im bäuerlichen Jahresablauf: Die Tiere landeten dann im Topf, wenn sie vor Wintereinbruch ihr Höchstgewicht erreicht hatten; dabei ging es nicht nur um ihr Fleisch. Gänseschmalz ergänzte in früheren Zeiten die karge Winterration an Fett, die wärmenden Daunenfedern füllten die Bettdecken. Heutzutage ist die Nachfrage nach Weihnachtsgänsen deutlich höher als die heimische Produktion, nur knapp ein Drittel der hier verzehrten Gänse stammt aus Deutschland. Deshalb findet man in den Supermärkten vor allem tiefgekühlte Hafermasttiere aus Osteuropa, einzig gezüchtet für die Nachfrage zu den Feiertagen. Die gefrorenen Tiere sind oft nur neun bis zehn Wochen alt, meist kleiner und haben einen geringeren Fleischanteil als Freilandgänse, dafür aber oft auch Fettlebern. Denn in Ungarn, Bulgarien und auch in Frankreich, dem Mutterland der Foie gras, ist das „Stopfen“ der Gänse mit Mais, eine äußerst brutale Form der Zwangsernährung, durchaus üblich und erlaubt.

Aber auch aus kulinarischen Gründen schwören Kenner auf Freilandgeflügel, am besten aus biologischer Haltung. Denn bei der Weidenmast erreichen die Gänse erst nach sechs bis acht Monaten ein Schlachtgewicht von 6,5 bis 7,5 Kilo. Der Muskelanteil der Tiere ist höher als bei der „Turbogans“, der natürlich gewachsene Fettanteil garantiert einen intensiveren Geschmack. „Aus bäuerlicher Haltung“ oder „Weidenmast“ sollte zumindest auf dem Etikett stehen, ansonsten hilft nachfragen. „Der Händler muss genau wissen, woher die Tiere kommen. Haken Sie also ruhig nach“, empfiehlt Frank Lüske, der einen der größten Berliner Biosupermärkte in Lichterfelde betreibt. Sein „Gänsebauer“ züchtet hinter dem Elbdeich bei Cuxhaven eine Kreuzung aus Weißer Pommerngans und Dänischem Ganter, eine robuste Biorasse, die zusätzlich nur mit Hafer und Weizen gefüttert wird. „Geflügel muss unbedingt Landluft schnuppern, Gras, Insekten und Würmer fressen können“, so Lüske, „dann sind die Tiere auch weniger krankheitsanfällig.“

Eine gute, frische Gans erkennt man am Fleisch-/Knochenanteil. „Das Fleisch an der Brust des Tieres muss fest sein, die Haut gleichmäßig und ohne Flecken“, sagt Marion Moutell, Wirtin im beliebten Charlottenburger Restaurant Engelbecken. Die Dithmarscher Gänse, die hier vor Weihnachten auf den Tellern landen, stammen sämtlich aus Freilandhaltung. Die Füllung macht Marion Moutell klassisch aus Apfel, Zwiebeln und Maronen – „genau wie meine Oma“. Dazu Salz und Pfeffer und ganz nach Geschmack Kräuter wie Beifuß oder Thymian. Als klassische Beilagen zum Gänsebraten passen intensive Vitaminbomben wie Rotkraut oder Grünkohl, ob man lieber Kartoffeln, Klöße oder einfach nur frisches Baguette dazu isst, ist regional unterschiedlich. In der Profiküche werden die ganzen Tiere im Dampfgarer vorgegart und landen erst dann in der Bratenröhre, damit die Haut schön knusprig wird. Aber auch mit einem normalen Küchenherd ist es nicht schwierig, einen perfekten Gänsebraten zuzubereiten: Man nehme einen entsprechend großen Bräter, das Tier braucht Platz, notfalls tut es auch ein tiefes Backblech. Den Ofen auf 220 Grad vorheizen und die bedeckte Gans mit etwa einem Liter Wasser gut eine Stunde bei niedriger Temperatur ziehen lassen. Später den Deckel abnehmen und bei mittlerer Hitze weiterbraten. „Als Grundregel bei der Temperatur gilt: Je niedriger, desto desto besser.“ Marion Moutell empfiehlt, sich und dem Braten Zeit zu lassen. Den ausgelaufenen Sud der Gans nimmt man zum regelmäßigen Übergießen, das garantiert eine wunderbare Kruste und die Grundlage für eine tolle Soße.

Nach vier bis fünf Stunden ist der Gänsebraten goldgelb und noch saftig. Falls es dann an Farbe noch ein wenig fehlt, den Backofen noch mal auf Oberhitze hochdrehen, kurz bevor die hungrigen Gäste kommen.