Die Gutachtenschlacht

Bonner Beamte sollen das Koma eines 32-Jährigen verursacht haben. Im Prozess hagelt es Gutachten

Der Prozess gegen drei Bonner Polizisten ist um ein weiteres Gutachten reicher: Gestern beschrieben Gerichtsmediziner vor dem Bonner Landgericht die Umstände, unter denen ein mittlerweile 32-jähriger Mann ins Koma fiel. Der Italiener wurde im November 2004 von den Beamten in einer Zelle zu einer Blutprobe gezwungen, unter noch nicht vollständig geklärten Umständen fiel er in die Bewusstlosigkeit, aus der er wahrscheinlich nie wieder aufwachen wird.

Es ist nicht das erste Gutachten in dem Fall: Schon im Februar 2005 wurden die Beamten durch ein rechtsmedizinisches Gutachten schwer belastet, die Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin wegen schwerer Körperverletzung. In der Zelle seien lebensbedrohliche Fehler gemacht worden, hieß es.

Vor eineinhalb Jahren war der Mann in einem Bonner Telefonladen fest genommen worden. Die drei Polizisten sagten später aus, er habe um sich geschlagen – Zeugen widersprachen allerdings dieser Darstellung. Auf der Wache legten sie den stark alkoholisierten Mann auf den Bauch und fesselten ihn an Händen und Füßen. Dabei wird in einer polizeilichen Broschüre genau vor dieser Lage von Betrunkenen gewarnt. Außerdem soll sich einer der Polizisten auf den Rücken des Mannes gekniet haben.

Dies bestätigten gestern die Gerichtsmediziner. Auf den Brustkorb des Opfers, so der Sprecher des Landgerichtes Fabian Krapoth, sei mindestens zwölf Minuten Druck ausgeübt worden sein. Die Angeklagten scheinen dies nicht zu bestreiten, wohl aber, dass dies das Koma verursacht habe. Ihr Gutachten wiederum spekuliert nämlich über einen späteren Herzstillstand.

Neben der verschiedenen Gutachten existiert auch eine Videoaufnahme aus der Zelle: Die Qualität des Films soll allerdings so schlecht sein, dass die Personen nicht zu erkennen sind – wohl aber, dass sich ein Beamter auf den Rücken des Opfers setzte. Genau dies kritisiert auch Bonns dienstältester Polizeiarzt. Jeder Beamte wisse, wie gefährlich ein Schwitzkasten sei, sagte er vor einer Woche. Falls sich ein Inhaftierter wehre, könne die Blutprobe auch verschoben werden.

Die Angehörigen von Antonio G. wollen übrigens ihrerseits einen Zeugen für die Tat bringen: Sie haben angekündigt, ihren komatösen Verwandten im Rollstuhl in den Gerichtssaal zu bringen. Das Urteil wird zum 2. Juni erwartet. ANNIKA JOERES