freiheit, literatur etc.
: Der 72. P.E.N.-Weltkongress

Es hatte etwas von einem Mantra, als Bundespräsident Horst Köhler in der Rede zur Eröffnung des 72. Internationalen P.E.N.-Kongresses in Berlin in einem fort das Wort Freiheit fallen ließ: der wesentliche Bezug von Literatur und Sprache zur Freiheit, die Freiheit, die es umgekehrt gilt, der Literatur, der Sprache und den Schriftstellern zu verschaffen, „die Wahrheit wird Euch freimachen“ (Zitat aus dem Neuen Testament), mit der Freiheit der Sprache verbinden wir auch die Freiheit zu irren und so weiter.

Doch so muss das wohl sein, wenn sich die Schriftsteller der Welt zu einem Kongress treffen, dessen Titel „Schreiben in einer friedlosen Welt“ lautet; ja, und diese sich mit ihrer Mitgliedschaft im Internationalen P.E.N. dazu verpflichtet haben, wie es der Leiter des deutschen P.E.N.-Zentrums, Johano Strasser, in seiner Ansprache verdeutlichte, „jederzeit und überall für die Freiheit des Worts und gegen alle Formen von ‚Rassen-, Klassen- und Völkerhass‘ aufzutreten“.

In Berlin machen die Schriftsteller und Schriftstellerinnen das hinter verschlossenen Türen, indem sie über die aktuelle Situation inhaftierter Schriftsteller diskutieren, was, wie man sich denken kann, viel Sensibilität erfordert und keinen Medienzauber. Und vor möglichst großem Publikum, in dem sie etwa heute um 15 Uhr im Hotel Hilton am Gendarmenmarkt einen Nachmittag der Dichter veranstalten, u. a. mit Duo Duo, Anna Enquist und Adam Zagajewskietwa. Oder am morgigen Donnerstag ab 19 Uhr in der Akademie der Künste in Tiergarten unter dem Titel „Afrika der schwelenden Konflikte“ die Literatur eines „geschundenen“ Kontinents vorstellen, u. a. mit Meja Mwangi aus Kenia und Véronique Tadjo von der Elfenbeinküste.

Gewohnt kämpferisch gab sich unser aller Günter Grass, der die Hauptrede bei der Eröffnung im Hotel Hilton hielt. Grass betonte noch einmal in seiner erst dichten, poetischen, dann explizit politischen Rede die Wichtigkeit und Größe der viel kritisierten Nobelpreis-Rede von Harold Pinter im vergangenen Jahr und nahm diese gegen „blindwütige Attacken“ der FAZ und besonders eines „Theaterkritikers namens Stadelmaier“ in Schutz: „Jemand, ein Schriftsteller, einer von uns, hatte in friedloser Zeit vom Recht der Anklage Gebrauch gemacht“, vom Recht der Anklage der Verbrechen der USA nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs überall auf der Welt. Beispielhaft habe er bewiesen, was „Schreiben in friedloser Zeit“ bewirken kann.

Pinters Beispiel folgen, so kann man sich das denken, wollen mit ganzem Herzen alle in Berlin versammelten Schriftsteller. Und das auch, so Johano Strasser, weil sie wissen, was sie verbindet: „die Liebe zur Literatur und die Achtung vor der Menschenwürde“. GERRIT BARTELS