GRIECHENLAND/TÜRKEI: RAMBOS IN DÜSENJETS SPIELEN MIT DEM ERNSTFALL
: Dabei liegt der Friedensplan längst bereit

Es ist ein Wunder, dass es erst jetzt passierte. Seit Jahren spielen sich im Luftraum über der Ägäis Szenen ab, die in der Militärsprache „dogfighting“ heißen: Griechische und türkische Militärjets vollführen waghalsige Abfangmanöver, die den Ernstfall fast perfekt simulieren. Deshalb gelten beide Luftwaffen als besonders professionell.

Die Kampfpiloten balgen sich, ohne scharfe Munition mitzuführen. Aber wenn sie zu viel riskieren, wird aus dem Kräftemessen zweier Nato-Rambos der Ernstfall. Denn ernst ist auch der politische Hintergrund: Der Luftraum über der Ägäis wird von beiden Seiten unterschiedlich abgegrenzt. Griechenland beansprucht zehn Meilen Luftraum um jede einzelne seiner Inseln. Das würde fast die ganze Ägäis zu ihrem Lufthoheitsgebiet machen. Als Territorialgewässer beansprucht Athen dagegen nur sechs Seemeilen. Griechenland will als einziges Land der Welt in der Luft größer sein als auf Meeresebene. Diese völkerrechtliche Anomalie sollte von den internationalen Gerichten dringend korrigiert werden. Doch darauf will die Türkei nicht warten. Sie sieht die Zone zwischen sechs und zehn Meilen als internationalen Luftraum, der für ihre Kampfjets frei zugänglich ist. In dieser völkerrechtlich umstrittenen Zone sind die beiden Flugzeuge abgestürzt.

Jetzt könnte es endlich so weit sein: Die beiden Regierungen können endlich den Kompromiss abschließen, den die Experten längst vereinbart haben: Die griechischen Hoheitsgewässer werden von sechs auf neun Meilen erweitert, der griechische Luftraum von zehn auf neun Meilen reduziert. Die Alternative wäre eine Eskalation, die vor allem den türkischen Militärs gelegen kommt. Die Kräfte in Ankara, die angesichts der drohenden Abweisung durch die EU auf verschärften Nationalismus setzen, könnten versuchen, den Ägäis-Konflikt wieder anzuheizen, der dank der Annäherung der beiden Ländern überwunden schien. Wenn das geschieht, ist Europa gefordert. Brüssel muss alles tun, um das Konfliktpotenzial zwischen dem EU-Mitglied Griechenland und dem EU-Kandidaten Türkei endlich zu entschärfen. NIELS KADRITZKE