KURZKRITIK: BENNO SCHIRRMEISTER ZU „SYBILLE SPRINGER LÄDT EIN“
: Unerhörte Klänge

Sehr Gutwillige erkennen, dass Künstlerhausleitungsassistentin Marita Landgraf vor lauter Begeisterung übers neue Format ihre prolixe Einführung gefühlt ewig nicht zu Ende bringt. Andere aber denken schon an Flucht aus der Stadtwaage. Das wäre schade. Denn Landgrafs Begeisterung ist ja berechtigt: Das Format, bei dem eine Künstlerhausbewohnerin eine für sie insprierende Kollegin einlädt, etwas in Bremen zu performen – lässt sehr unmittelbar verstehen, wie Kunstproduktion aus Kunstproduktion hervorgeht: Eben ganz ohne viele Worte, nicht diskursiv, oh!, lasst das Spielen doch beginnen!

Danke! Denn: Hlynur A. Vilmarssons Suite für Halldorophon solo ist stark genug, sich Gehör zu verschaffen und teilt ihren Witz und ihre Komik auch ohne den kuratorischen Befehl mit, dass dieser „in Betracht gezogen werden muss“. Zu ihrer Uraufführung kommt es, weil die Malerin Sybille Springer den isländischen Künstler Halldór Úlfarsson besonders schätzt. Video macht der, Performances, Fotos. Und viel arbeitet er mit Musik. Wofür er das Halldorophon erfunden hat, ein viersaitiges Streichinstrument mit kleinem, apart-asymmetrischem Korpus, das wie ein Cello gespielt wird, aber nasaler klingt. Zugleich kann eine eingebaute, pedalgesteuerte Elektronik die Schwingungen selbst ungespielter Saiten hörbar machen: Zunächst zeigt ein Video, wie sich in Springers Atelier im Künstlerhaus die junge Cellistin Lynda Cortis die Möglichkeiten dieses Instruments auslotet, dann spielt sie live Vilmarssons Suite: Formal ein Rückgriff auf den Barock, der fast besessen war von der Erfindung neuer Instrumente wie dem Cello, und ideell, mitunter auch hörbar, eine ironische Reverenz gegenüber Bach: Ganz ähnlich greift Springer Bildgegenstände der Kunstgeschichte auf, und reformuliert sie mit impressionistischen Techniken, Strich für Strich. Unerhört inspirierend.

Nächster Termin der Reihe: Doris Weinberger lädt ein: Stefan Kaegi, Theatermacher (Rimini-Protokoll), 5. 12., 19 Uhr, Künstlerhaus