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: Luhukays Wutrede

FUSSBALL Trainer Jos Luhukay zeigt sich nach der 0:1-Niederlage gegen Bayer Leverkusen am Samstag enttäuscht und frustriert

Es muss eine Qual für Trainer Jos Luhukay gewesen sein. Immer wieder flankten die Hertha-Spieler eifrig den Ball vors Tor von Bayer Leverkusen. Mal flach, mal hoch, mal mit Schnitt, mal ohne. Die Hereingaben sorgten für mächtig Betrieb im gegnerischen Strafraum, aber nicht wirklich für Gefahr.

Der Zorn kam bei Luhukay wieder hoch, als er nach der 0:1-Niederlage gegen Bayer Leverkusen in den Katakomben des Berliner Olympiastadions auf den Statistikzettel blickte. „44 Flanken“, sagte er mit bebender Stimme, „und eine davon ist gut gewesen.“ Er spielte auf die einzige Großchance der Berliner in der zweiten Halbzeit durch Tolga Cigerci an, der jedoch mit einem Kopfball an dem glänzend reagierenden Torwart Bernd Leno scheiterte.

Er sei „sehr enttäuscht“ und „frustriert“ über den vergeblichen Aufwand, den man betrieben habe, bekannte Luhukay. Dass der stets so kontrollierte Niederländer sich derart in Rage redete, war sicherlich das überraschendste Ereignis an diesem Samstagnachmittag. Schließlich trafen mit Luhukay und Sami Hyypiä auf Leverkusener Seite die wohl ruhigsten Vertreter der Trainerzunft in der Fußball-Bundesliga aufeinander. Letzterer blieb seinem Naturell treu, als er entgegnete: „Ich habe auch gesehen, dass Hertha viele Flanken geschlagen hat.“ Darauf habe er aber seine Mannschaft eingestellt.

Luhukay wiederum betonte, dass er seine Spieler gewarnt hätte, dass die Leverkusener nur ein, zwei Chancen brauchten, um einen Treffer zu erzielen. Stefan Kießling war es, der in der 28. Minute von einer seltenen Unaufmerksamkeit im Berliner Mittelfeld profitierte und eine der ebenfalls seltenen Gelegenheiten der Gäste nutzte.

Letztlich hatten beide Trainer also das Spielgeschehen antizipiert. Und vielleicht spielte auch deshalb der Umstand, dass das Tor von Kießling wegen der Abseitsstellung des Passgebers Jens Hegeler gar nicht hätte zählen dürfen, in Luhukays Wutrede überraschenderweise gar keine Rolle. Er erboste sich dagegen vielmehr über das Erwartbare, die wiederholte Unfähigkeit seines Teams, gegen favorisierte Gegner in dieser Saison Kapital aus der eigenen Feldüberlegenheit zu schlagen. „Es ist ja nicht das erste Mal gewesen“, klagte er. „Stuttgart, Schalke und Leverkusen haben uns nicht auseinandergenommen, aber immer mit einem Tor Abstand bei uns gewonnen.“

Bei einem Stoiker wie Luhukay wirkt Entrüstung schnell gespielt. Seinen erregten Ausführungen darf man deshalb durchaus taktische Motive unterstellen. Er dürfte einen Mentalitätswandel in seinem Team herbeiführen wollen. Mit seiner Rede gab er ein Beispiel dafür, was er unter Entschlossenheit versteht. „Am Ende“, sagte Luhukay, „und das ärgert mich auch, bekommen wir wieder Lob für unser Spiel. Ich will aber erfolgreichen und nicht nur guten Fußball spielen.“

Auch wenn die Berliner immer noch auf eine ausgeglichene Bilanz (fünf Siege, drei Remis, fünf Niederlagen) verweisen können, könnte es auf Dauer für den Aufsteiger zu einer Gefahr werden, sich mit dem Lob der Branchenführer zu begnügen und sich auf die Punktgewinne gegen die um den Klassenerhalt kämpfende Konkurrenz zu verlassen.

Sami Hyypiä geizte am Samstag ebenfalls nicht mit Komplimenten. Er verglich Hertha BSC mit dem Champions-League-Gegner, der am Mittwoch in Leverkusen gastiert: „Manchester United flankt auch sehr viel. Deshalb können wir viel mitnehmen aus dem Spiel.“ Genau besehen, war es aber ein vergiftetes Lob. Denn die Partie offenbarte: Hertha BSC kann ein Spitzenteam lediglich nachahmen, ohne dessen Gefährlichkeit zu entwickeln. JOHANNES KOPP