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berliner szenen „Sterbe langsam“

Sprachwitz umzingelt

Picklige Spargeltarzans, neurotische blonde Prinzesschen und Hiphop-Jungs mit Pattex-Frisuren: Es ist nicht unbedingt so, dass sich Bastian Sick sein Publikum freiwillig ausgesucht hätte. Nein, der Autor von „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ ist von seinem Verlag verlost worden. Als Hauptpreis. Gewonnen hat Linus aus der 7b.

So heißt es für den Bestseller-Autor aus Hamburg: keine „größte Deutschstunde der Welt“, sondern gähnende Gymnasiasten in Berlin-Mitte. Gut, es hätte den bekannten Sprachretter schlimmer treffen können, das John-Lennon-Gymnasium ist nicht die Rütli-Schule. Eigentlich sehen die Kinder nett aus, und wie in jedem ordentlichen Gymnasium sitzen die Streber vorne. „Ihr könnt mich ruhig duzen“, erklärt Sick und feuert dann die aus seinen Büchern wohlbekannten Scherze von „grammatikalisch insuffizienten Sentenzen“ und „pervertiertem Perfekt“ ab. „Die Sauna ist angeschalten“, „Sterbe langsam“ und so weiter.

Dass diese Geschichten nur funktionieren, weil, wie Sick einerseits generös einräumt, Sprache „ja auch lebendig“ sei, er andererseits aber mit peinlichem Politessen-Eifer sämtliche Aberrationen notiert, ahnen auch die Schüler: Anfangs belohnen sie ihn mit spitzem Gelächter, nach einer Weile gehen sie aber dazu über, Kreuzworträtsel zu lösen oder ihre Mathehefte mit Graffiti-Tags zu bemalen.

Nach eineinhalb Stunden hört man Sick durch das Gedrängel zum Ausgang noch etwas von „in jeder guten Buchhandlung“ und „Autogramme“ sagen. „Na, ihr guckt ja begeistert!?“, rätselt im Treppenhaus eine Lehrerin. Die Schüler grinsen nur schief zurück. Was auch daran liegen könnte, dass sie sich schon längst Zigaretten in den Mund geschoben haben. JAN KEDVES

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