LESERINNENBRIEFE
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Bewusstes Kalkül

■ betr.: „Unsere inländischen Deppen“, taz vom 20. 11. 13

Die Empörung von Hilal Sezgin über das politische Gebaren regierender Politiker im Falle des Elends der Flüchtlinge und anderer aktueller Katastrophen teile ich hundertprozentig. Ich bin die Sonntags-Betroffenheitsreden ebenso leid wie das heuchlerische Gerede über angeblich faire Prozesse für die afrikanischen Asylbewerber. Die in Hamburg um ihre Menschenrechte streitenden „Lampedusa-Flüchtlinge“ sollten sich von den hohlen Versprechen der SPD-Senatoren nicht einlullen lassen. Der größte Skandal in diesem Menschenrechts-Trauerspiel ist ja wohl, dass nach dem ersten Schock, den die große Anzahl von Ertrunkenen im Mittelmeer verursacht hat, die führenden europäischen Regierungen und wohl auch eine Große Koalition in Deutschland einfach zur Tagesordnung übergehen und damit künftige Tragödien wissentlich in Kauf nehmen.

Einer Einschätzung von Hilal Sezgin muss ich allerdings widersprechen: Es sind keine „Deppen“, die das tun, sondern es handelt sich um wohl bewusstes, sarkastisches Kalkül: unterlassene Hilfeleistung mit dem Ziel der Abschreckung. HOLGER ROHRBACH, Ahrensburg

Endlich Wut

■ betr.: „Unsere inländischen Deppen“, taz vom 20. 11. 13

So ein Kommentar war schon lange fällig. Ich lese alle möglichen Texte zum deutschen Rassismus, aber hier wird mein Entsetzen Text. Endlich Wut, wenn auch höflich formuliert. Ansonsten: was kann der Einzelne tun? Alles unbegreiflich finden reicht doch nicht! Alle Verschwörungstheorien sind doch wahr geworden!

KLAUS HOHLE, Berlin

Keine Entschuldigung

■ betr.: „Kinder werden mutlos“, taz vom 20. 11. 13

Die intensive und schonungslose Analyse der eigenen Motive und Motivationen sollte ganz fraglos bereits in die Lehrerausbildung gehören und ebenso Inhalt späterer Fortbildungen sein.

Worüber sich Schüler zu diesem Thema mitunter beklagen – nicht selten zu Recht –, treibt mir schon mal Scham- und Zornesröte ins Gesicht. Für auch nur latent verletzenden und/oder erniedrigenden Umgang des Lehrers mit seinen Schülern darf es einfach keine Entschuldigung geben. CHRISTOPH GORSCHLÜTER, Münster

Empathie entdeckt

■ betr.: „Kinder werden mutlos“, taz vom 20. 11. 13

Verbale Verletzungen durch LehrerInnen schaden den Kindern. Ja, was denn sonst? Dazu bedarf es doch keine 23.000 Minuten Beobachtung von Unterrichtsstunden und eine Studie. Es hätte vermutlich gereicht, wenn Frau Prengel sich an das Pink-Floyd-Lied „Another Brick In The Wall“ mit dem Video angesehen hätte: „no dark sarcasm in the classroom teacher leave us kids alone.“

Das Problem liegt doch in der seit hundert Jahren unveränderten Machtstruktur. Eine dominante Person in Frontalunterricht gegen eine Gruppe junger und jüngster Menschen. Keine Kontrolle von Dritten, kein Feedback, nichts, was eine Lehrperson einschränken würde, wenn sie denn völlig überfordert oder unfähig ist. Es ist doch keine Lösung, hier einen Katalog mit tollen Verhaltensweisen anzubieten. Solange die Klassen vollgestopft sind mit wissbegierigen Kindern, denen man in 45 Minuten aber nur so 60 Sekunden Aufmerksamkeit widmen kann, solange die Aufgabe der Schule im Aussieben durch Sitzenbleiben gesehen wird, solange GrundschullehrerInnen lausig bezahlt werden, so lange kann man noch Jahrzehnte forschen, nichts würde sich ändern. Wie wäre es denn, wenn wir es mal mit so zwei oder drei LehrerInnen gleichzeitig probierten? Oder mit Klassenstärken von 15 Kindern? Kostet Geld? Ja natürlich, aber das nennt sich Zukunftsinvestition, und es lohnt sich für uns alle mehr als jede Bankenrettung … UWE BARKOW, Frankfurt am Main

Die Interessen älterer Menschen

■ betr.: „Der Sachverständige“, taz vom 23. 11. 13

Was in dem sehr langen Beitrag zwar irgendwo einmal kurz erwähnt wird, aber insgesamt ein wenig untergeht, ist die Tatsache, dass eigentlich die Interessen und Wünsche der Pflegebedürftigen im Vordergrund stehen sollten. In den Debatten zur Pflege geht es aber fast ausschließlich um vordergründig wirtschaftliche Fragen und um die Interessen derjenigen, die mit Pflegedienstleistungen ihren Lebensunterhalt verdienen. Wenn man die Interessen und Wünsche der Pflegebedürftigen in den Vordergrund stellen würde, dann würde man sich auch primär mit der daraus resultierenden Frage auseinandersetzen, wie man die organisatorischen und sonstigen Rahmenbedingen dafür schafft. Aber bereits die Blüm’sche Pflegereform hatte einen eklatanten Geburtsfehler. Denn die damals mit der CDU/CSU koalierenden Liberalen banden ihre Zustimmung an die Reform daran, dass die Pflegesätze für häusliche, familiäre Pflege durch Angehörige deutlich niedriger als die für Pflegedienste und -heime sein müssen. Dass dann über kurz oder lang primär staatliches und privates Kapital an professionelle Dienstleister umverteilt wird, die in der FDP traditionell ihre politische Lobby sehen, ist nur folgerichtig.

Nach meiner Beobachtung gibt es in neun von zehn Fällen einer Pflegeheimunterbringung keinerlei medizinischen Grund für diese Maßnahme. Die eigentliche Herausforderung, vor der unsere Gesellschaft in dieser Frage steht, ist die, den Interessen der älteren Menschen wieder Vorrang zu gewähren. EWALD BECK, Bad Homburg