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zwischen den rillenEuropa, wo es jung und alt ist

In Richtung Beatles: Die französische Band Phoenix bezaubert mit ihrem neuen Album „It’s Never Been Like That“

Die ersten Takte treffen einen noch leicht unangenehm. Ein hoher monotoner Gitarrenton, der ähnlich unnachgiebig präsent ist wie der Wecker am frühen Morgen. Doch dieser Ton ist ein Signal. Noch bevor sich ein ganzer Song mitreißend um ihn herumgruppiert, hat man es mitbekommen: Hier will jemand was. Die französische Band Phoenix hat eine neue Platte gemacht. Ihr drittes und bestes Album. Es ist leicht. Es ist unbekümmert. Und es rockt. Kurz: „It’s Never Been Like That“ hat jene Frische, die es braucht, um die Platte dieses Sommers zu werden.

Neben Daft Punk und Air gehört Phoenix schon seit längerem zu den interessantesten Bands aus Frankreich. Im Gegensatz zu den beiden anderen waren sie jedoch von Beginn an Indie. Sie machen Gitarrenpop, auch wenn man aus Frankreich solche Musik eigentlich nicht erwartet. Französischer House okay, aber Gitarrenmusik? Noch dazu aus Versailles? Das kommt doch eher aus der lebendigen Szene Englands. Vielleicht gelingt es den vier Jungs aber auf Grund dieses Freiraums, der Welt zu zeigen, was Beatles heute sein könnten. Genau, Beatles. Angedeutet hat sich dieses Potenzial schon länger, auch auf den zwei Vorgängeralben fielen unter den Songs einige besondere Perlen auf.

Dieses Gefühl für Melodien, mit dem Phoenix dort beeindruckten, zeigt sich auf „It’s Never Been Like That“ noch etwas deutlicher. Zugleich klingt es, als würden diese Jungs zum ersten Mal miteinander Musik machen und nicht schon seit mehr fünfzehn Jahren – sie kennen sich, seitdem sie sechs Jahre alt sind. Eingefahrener Sound ist hier jedoch nicht zu hören. Alle zehn Stücke wirken unbekümmert und sind nur minimal arrangiert, nichts Kompliziertes. Vielleicht etwas harmlos manchmal. Nachdem die Band an den letzten beiden Alben lange und intensiv im Studio frickelte, hatte man sich genau das vorgenommen, sagen ihre Mitglieder in Interviews.

Es hat geklappt. „Long Distance Call“, die erste Single, ist feinster Pop. Der Song geht rhythmisch klar nach vorn und verweilt nur kurz beim Refrain, um einen umgehend wieder bei den Ohren zu packen und weiter zu ziehen. Dabei verbreitet Phoenix’ Musik nicht einfach stupide gute Laune. „Where to go I had no idea? / 26.10 was the price to pay? / A messed up kid with no ideals at all? / I thought those 26.10 I shouldn’t give’em away“ – gerade durch solch kleine Anflüge von Nachdenklichkeit entwickelt diese Musik ihre Kraft. Zugleich ist „It’s Never Been Like That“ erstaunlich abwechslungsreich. So findet man neben dem ruhigen wunderschönen, hm ja, eigentlich Liebeslied „One Too Many“, ein rockend nach vorn treibendes „Second To None“, aber auch ein Stück wie „North“, dessen fünf instrumentale Minuten deutlich Post-Rock beeinflusst sind. Auch diese Bandbreite zeigt, dass Phoenix mit dieser Platte von jener Schippe gesprungen sind, mit der man sie gern unter der Rubrik „Softrock“ begrub. Zu ihrem Leid. Aber klar, Franzosen, die über die Liebe und das Leben singen, müssen irgendetwas Weiches haben, noch dazu mit so einem gut aussehenden Sänger – stilsicher angezogen sind ja alle vier. Doch diese Rubrizierung lehnt die Band nachdrücklich ab. Und wenn soft, dann richtig: In „Marie Antoinette“, dem neuen Film von Sofia Coppola (mit Sänger Thomas Mars liiert) mimen Phoenix klassische Musiker und spielen Perücken tragend ein Barockstück (siehe oben), das sie selbst komponiert haben. Wandlungsfähigkeit ist also Programm, als französische Band mit englischen Texten, deren aktuelles Album übrigens in Berlin aufgenommen worden ist, kann das nicht verwundern.

In gewisser Weise haben Phoenix uns jene Platte beschert, die Old Europe dringend gebraucht hat. Ob Old Europe das verdient, wäre noch eine ganz andere Frage. MERCEDES BUNZ

Phoenix: „It’s Never Been Like That“ (Virgin/EMI)

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