berliner szenenFleisch zum Schütteln

Britisierung on the way

Schlesisches Tor Ecke Cuvrystraße. Die Bedienung: „Hallo, schon ausgesucht, was ihr trinken wollt? Ach, bevor ich’s vergess: Ist ein bisschen blöd, dass ihr jetzt draußen sitzen wollt. Wär besser, wenn ihr drinnen bestellt und dann draußen trinkt, denn wenn ihr draußen bestellt, muss ich sofort kassieren.“ Wir: „Äh?“ Die Bedienung: „I see – you didn’t get a word of what I said, right? So let me repeat that in –“ Wir: „Zwei große Jever und ein Alster bitte.“ Die Bedienung: „Ach, ihr seid gar nicht aus England?“ Nee, aber seitdem in der Cuvrystraße der Britpop-Club Lido geöffnet hat, ist die Britifizierung des Berliner Sommers wohl kaum mehr zu stoppen. Ein weiteres Indiz: die Rückkehr der Biertitte.

Im Lido selbst ist am Mittwochabend zur Vorstellung des neuen Sony-Unterlabels Red Ink das männliche Publikum zwar größtenteils noch zu jung und seine Bierkonsum-Jahreszahl definitiv noch im einstelligen Bereich, um dieses zweifelhafte Lifestyle-Accessoire zu sporten. Auf der Bühne sind die weichen things to come aber schon zu bestaunen: In den Hüften steif, dafür im Brustbereich mit zusätzlichem Fleisch zum Rhythmisch-Schütteln ausgestattet, stehen dort die englischen The Rifles und spielen unoriginellen Gitarrenpop. Jahre der Beschäftigung mit Hopfen und Malz statt mit aktuellen Musikentwicklungen hinterlassen halt ihre Spuren. Die Jugend lässt sich aber nicht schrecken: Sie trinkt begeistert Bier und wippt zur Musik.

Das Bier wird im Lido übrigens auch auf englischer Temperatur serviert. Aber das hat dann doch weniger mit Stilsicherheit als mit der rasanten Nachfrage an diesem Abend zu tun. Berlins britischer Sommer: Vielleicht wird er warm, auf jeden Fall wird er weich. Und ein wenig schwabbelig. HANNAH PILARCZYK