Der Klang des Fußballspiels

Eine Sportart zum Lauschen: Blindenfußballer treffen sich zu einem internationalen Workshop am Olympiastadion. Sie wollen Aufbauarbeit für deutsche Blindenkicker leisten. Wie erwartet zaubern die Brasilianer mit blindem Verständnis

„Ich lausche mal rein“, sagt Raimund Hennig konzentriert. Er meint nicht das Rauschen der Blätter im Olympiapark. Hennig lauscht der zweiten Partie des Vormittags – Frankreich gegen Spanien – beim ersten Blindenfußball-Wettbewerb in Deutschland.

Hennig selbst möchte das nächste Mal dabei sein. „Es muss nicht gleich die Europameisterschaft im nächsten Jahr sein“, sagt er. „Aber vielleicht schaffen wir es, uns bis zu den nächsten Paralympics in China vorzubereiten.“

28 angehende Blindenfußballer aus ganz Deutschland nahmen in den letzten Tagen an einem internationalen Workshop teil. „Mit etwas Hilfe des Blindenverbandes sind wir in China dabei“, sagt der Berliner Zukunftskicker Hennig. Bis vor 12 Jahren habe er gerne Fußball gespielt. Damals konnte er noch sehen. „Nach dem Workshop bin ich wieder bereit und will auf den Rassen zurückkehren.“

Medienvertreter und Verwandte sind gekommen, um den Blinden beim Spielen zuzuschauen. Verdutzt gucken sie, wie die jeweils fünf Mann starken Mannschaften den Ball beherrschen. Beim ersten Spiel England gegen Brasilien kann man Fußballvorurteile pflegen. Nach dem zweiten Tor der Seleçao geht ein Raunen durch das Publikum. Ricardo, zwölfmaliger Torschütze der brasilianischen Liga, hat gerade zwei englische Verteidiger ausgetrickst und den Ball perfekt im rechten Winkel des Tors platziert. Brasilianischer Fußball zum Lauschen.

Nach dem Spiel ermahnt der englische Trainer seine Schützlingen, dass die Brasilianer nur durch genaue Manndeckung zu stoppen seien. Der Ratschlag kommt zu spät. Trotzdem erklärt er weiter, wie man sich an dem Gegner herantasten muss, wie man sich auf dem Spielfeld zurechtfindet: Der gefüllte Ball rasselt, die gegnerischen Spieler schreien laut Regel „Woi, woi, woi“, wenn sie nicht im Besitz des Balls sind. Das Spielfeld begrenzt an den Längsseiten eine kleine Wand.

„Alles neu“, sagt Olympiasiegertrainer Antonio di Padua aus Brasilien. „Als wir anfingen, gab es viele Verletzte. Die Regeln haben das Spiel dynamischer werden lassen.“

„Das hier ist eine gute Vorbereitung für die Weltmeisterschaft in diesem Jahr“, sagt Fabio, Torwart der Brasilianer. Er selbst kommt aus derselben Stadt wie der Herthaner Marcelinho. Die Torwarte sind als einzige Spieler nicht blind. Sie unterstützen ihre Mitspieler mit Anweisungen. Außerdem steht hinter jedem Tor ein Trainer der gegnerischen Mannschaft. Er ist so etwas wie eine akustische Zielscheibe und gibt Anweisungen an die beiden Offensivspieler.

„Schießen, Antonio““, hört man aus der Kehle des spanischen Trainers. Er freut sich wie alle hier auf die Weltmeisterschaft in Buenos Aires. Dort treffen sich Brasilien, Argentinien, Spanien, Frankreich, England, Japan, Südkorea und eine weiter Mannschaft aus Südamerika. Für ihn als Argentinier wird es ein Heimspiel werden. Für seine Jungs wird es eine interessante Begegnung sein. Sie treffen die einzige Nationalmannschaft, die sich einen Namen gegeben hat. Die argentinischen Nationalkicker nennen sich „die Fledermäuse“. BLAS URIOSTE