Gesundheit, Glück & dicke Waden

Fitness lässt sich erradeln – schon mit dem kleinen Aufwand zwischendurch. Doch natürlich geht’s auch mit Schwitzen, Keuchen und dem Austesten der maximalen Herzfrequenz. Wer die 35 überschritten hat, sollte zuvor aber beim Arzt vorsprechen

VON HELMUT DACHALE

30 Minuten Bewegung pro Tag, fordert die AOK des Bundeslandes Bremen. Damit will sie die Arbeitnehmer mobilisieren, sich auch noch vor und nach der Arbeit abzustrampeln. Denn wer 30 Minuten täglich in die Pedale tritt, steigere seine Fitness „mit positiven Folgen für die Gesundheit“. Klingt verheißungsvoll, lässt aber vieles unbeantwortet. In dieser halben Stunde gemütlich zur Firma und zurück hoppeln – reicht das denn? Oder wird die Bewegung auf dem Bike erst dann zur gesundheitsfördernden und leistungssteigernden Maßnahme, wenn mich der innere Udo Bölts immer mal wieder bis zur Leistungsgrenze treibt: Quäl dich, du Sau?

Antworten könnte das kürzlich vorgelegte Kompendium „Cycling & Health“ geben. Verfasst vom Zentrum für Gesundheit der Deutschen Sporthochschule Köln mit hohem Anspruch: Es handele sich um die weltweit größte Studie dieser Art. Immerhin: Sie beinhaltet auch Trainingsratschläge – und die sind erheblich differenzierter als das simple „30 Minuten täglich“.

Pädagogisch geschickt werden jedoch auch hier zuerst einmal die positiven Folgen des Radfahrens dargestellt. Ob Gelenkschutz und damit Arthrosevorbeugung oder Kräftigung der Muskulatur „fast des ganzen Körpers“ inklusive des Herzmuskels, ob Stärkung des Immunsystems oder Verbesserung der Lungenventilation – die segensreichen Auswirkungen des Radfahrens scheinen allumfassend zu sein. Vor allem dann, wenn es als Ausdauersportart betrieben wird. Dann winkt auch noch das Glück in Form einer erhöhten Produktion von Endorphin und Adrenalin, was bekanntlich „die Stimmung positiv verändern“ kann. Indes behaupten die Autoren der Studie dergleichen nicht nur, sie verweisen auch auf eine schier monströse Anhäufung von Quellen und Referenzen, die sie nach eigenen Aussagen weltweit aus rund 7.000 Untersuchungen und anderen Veröffentlichungen ausgewählt haben.

Wer sich nun aufmacht, der Fitness entgegenzuradeln, sollte sich jedoch auf strikte Regelmäßigkeit einstellen: „Der gesundheitliche Erfolg stellt sich nämlich nur ein und bleibt vor allem erhalten, wenn das Rad zu einem ständigen Begleiter wird.“ Nach Meinung der Kölner sollte das Velo mehrmals pro Woche bestiegen, dann zwar keinesfalls bis zur Erschöpfung benutzt werden, aber der Schweiß dürfe schon fließen. Es geht schließlich um Zielsetzungen, wenn auch um persönlich zu definierende, letztendlich um die Steigerung der individuellen Leistungsfähigkeit. Bei den Empfehlungen steht an erster Stelle die Erhöhung der Grundlagenausdauer und hier die Orientierung an der Herzfrequenz des jeweiligen Probanden. Wobei man im Endeffekt nur durch Messung feststellen kann, wie häufig das eigene Herz pro Minute schlägt und maximal schlagen könnte. Sportmediziner wie die Verfasser des Kompendiums raten den Untrainierten ab 35 sogar, sich vor dem Losdüsen „unbedingt die Trainings- und Belastungsfähigkeit vom Arzt attestieren“ zu lassen. Für die Selbstkontrolle beim täglichen Ausritt bringen sie die Herzfrequenzuhr ins Spiel. Und dann sollte man sehen, dass man auch als bewegungsarmer Anfänger alsbald in die Gänge kommt: Schon bei den ersten 20- bis 40-minütigen Fahrten sollten immerhin 50 bis 60 Prozent der maximalen Herzfrequenz erreicht werden. Was in Wirklichkeit leichtes Radeln sein wird. Doch wer sich ein paar Wochen lang daran gewöhnt habe, dürfe dann mehr: Verlängerung der Fahrzeiten und Steigerung der körpereigenen Beats – in der Stabilisationsphase auf 95 Prozent der möglichen Schlagzahl. Aber natürlich muss der Puls nicht ständig so beschleunigt werden, genau genommen reichten 60 bis 65 Prozent fast immer und überall aus. Diese Marge wird als Basis des Ausdauertrainings angesehen, und das führe zu gesundheitlichen Veränderungen, vor allem zur Verbesserung der Herzfunktionen.

Damit stellt sich das gesundheitsbewusste Biken tatsächlich als eine Tätigkeit dar, die sich so ganz nebenbei ins Alltagsleben integrieren und auch auf dem Arbeitsweg abwickeln lässt. Ob jedoch ein derartig geringer Aufwand den Radler auch noch zum Radsportler macht, erscheint zweifelhaft. Für diese Spezies könnte das Radsportabzeichen ein Ziel sein. Das wird vom BDR (Bund Deutscher Radfahrer e.V.) verliehen, und zwar als „Auszeichnung für gute und körperliche Leistungsfähigkeit.“ Wer sich den Button gleich in Gold an die Brust heften möchte, sollte einiges auf dem Kasten haben: In der Kategorie „Männer, 31–40 Jahre“ beispielsweise wird verlangt: 20 Kilometer in nicht mehr als 38 Minuten, die 100 Kilometer in höchstens drei Stunden und 39 Minuten, im Jahr wenigstens 1.800 Kilometer Gesamtstrecke. Eine alternative Zusammenstellung, etwa mit Sprints und Geschicklichkeitsfahren, ist möglich. Ein bisschen quälen wird man sich müssen. So oder so.

„Cycling & Health“, Zentrum für Gesundheit der Deutschen Sporthochschule Köln: www.zfg-koeln.de