berliner szenen Numminen vertont Heine

Zum Wein kein Nein

Heinrich Heine? 150 Jahre lang tot ist er jetzt, und in meinem sonst tollen Deutschunterricht kam er nicht vor. Im Regal zwischen Christoph Hein und Ernest Hemingway nur ein Hauch staubiger Luft. Aber er wird immerhin öfter zitiert, meist von Männern, meist politisch mit Augenzwinkern.

So auch am Wochenende beim Bücherfest: M. A. Numminen, Finnlands musikalischer Springinsfeld, ist angereist, um vorzusingen, was er aus der Lektüre sämtlicher Gedichte mitnehmen konnte: „Genau zwölf Gedichte habe ich gefunden. Das reichte, um die Heine-Suite zu komponieren.“ Begleitet von vier schönen Damen an Streichinstrumenten und Klarinette, DJ Sane an der „Maschinenmusik-Maschine“ und einem Langbärtigen am Vibrafon knödelt Numminen: „Freiheit hat man satt am End, und ich bin ein Esel. In meinem Schwanz ist jedes Haar ein Esel“. Dabei drischt er viel sagend mit einem Schlagzeugbesen auf das Berliner Telefonbuch Band zwei, M–Z. Bin zufrieden, dass ich in Band eins stehe. Der Politik folgt die Liebe, wobei die musikalischen Elemente in charmanten Widerstreit treten: Die Damen setzen Schubert-Akzente, der Bärtige jazzt und DJ Sane clubbt digital. Im Auge dieses Genre-Sturms juchzt unverdrossen Numminen: „Du liebst mich nicht, doch das kümmert mich gar wenig.“

Oho, da waren die Intellektuellen früher offenbar weniger mimosenhaft. Einzige Heine-Kritik: „Kein einziges Gedicht über das Trinken, auf 1.000 Seiten nicht! Also habe ich heinetisch nachgedichtet: Zum Wein, da lädt man bestimmte Personen ein, da gibt es kein Wort wie Nein. Wie schön die Welt, wenn man beginnt zu trinken.“ Als die Stuhlreihen sich leeren, schaue ich in heitere Gesichter. ELINA KRITZOKAT