Burische Bullen in Soweto

RUGBY Ausgerechnet im größten Township Südafrikas feiert ein Team aus Pretoria den Sieg in der internationalen Meisterschaft

In Soweto jagen Schwarze dem Ball nach, das Rugby-Ei fasst kaum einer an

JOHANNESBURG taz | Soweto feierte, auf Hinterhöfen und auf den Straßen des größten Townships des Landes, das schon vor dem Beginn des Endspiels ganz in Blau getaucht war: In einem rein südafrikanischen Finale haben die „Blou Bulls“ aus Pretoria ihren Titel als Champion der Super-14-Klub-Serie der besten Rugby-Vereinsmannschaften der südlichen Hemisphäre erfolgreich verteidigt. Bemerkenswert im Hinblick auf die in knapp zwei Wochen beginnende Fußballweltmeisterschaft in Südafrika war am 25:17-Sieg über die Stormers aus Kapstadt, dass die Partie mitten in Soweto bei Johannesburg stattfand, einem von der einstigen Apartheidregierung geschaffenen Township für die schwarze Bevölkerung des Landes.

Kein Rugby-Fan hätte sich früher je hierhin getraut. Doch weil die Heimspielstätte der Bulls, das Loftus Versfeld in Pretoria, auch eines der zehn WM-Stadien ist und der Rasen so kurz vor dem Anpfiff für die Fußballer geschont wird, mussten die Bullen umdisponieren. Auf der Suche nach einem Ausweichquartier wurden sie im Orlando-Stadion fündig, das wie vor einer Woche schon beim Halbfinale der Bulls gegen die Crusaders aus Christchurch/Neuseeland ausverkauft war.

In den Pubs vor der Arena sowie auf den umliegenden Straßen spielten sich Verbrüderungsszenen zwischen weißen Rugby-Anhängern und schwarzen Fußballfans ab, die für die WM auf eine noch positivere Stimmung schließen lässt. Buren mischten sich Samstagabend unter die Bewohner in Soweto und entdeckten eine riesige Fan-Schar für den noch recht weißen Sport.

In Soweto tobt normalerweise der Fußballfan. Mannschaften wie die Orlando Pirates, Kaizer Chiefs oder die Moroka Swallows stammen aus dem Township und spielen erfolgreich in der ersten Liga.

Im Stadion tröteten dann rund 40.000 weiße, aber auch schwarze Fans in ihre Vuvuzelas, um ihre Mannschaften anzufeuern. Bereits in der Vorwoche besiegten die Blue Bulls Neuseelands „Crusaders“ im Orlando Stadium. Damit hatten sie das Endspiel gegen die Stormers erreicht – und mit der Wahl des Townships als Austragungsort, dem ehemaligen Zentrum des Kampfes gegen den burischen Apartheidfeind, erneut Sportgeschichte geschrieben. Als 1995 die Rugby-Nationalmannschaft, die Springboks, Schwarze und Weiße in einer neuen, noch unsicheren Demokratie mit ihrem Sieg gegen Neuseeland vereinte, hatte Präsident Nelson Mandela als Gallionsfigur der Versöhnung entscheidend mitgewirkt. Als er im grünen Springbok-T-Shirt auf dem Spielfeld im Ellis-Park-Stadion Mannschaftskapitän Francois Pienaar zum Sieg seines Teams gratulierte, brachen schwarze und weiße Südafrikaner in Jubeltränen aus.

Doch die Euphorie verflog – und Rugby, der geliebte Sport der Buren, wird bei den schwarzen Massen noch häufig als Symbol für die Unterdrückung gesehen, obwohl auch in einigen Gegenden des Landes Schwarze das Spiel unterstützen. Doch wenngleich das Schwarzweißdenken den Alltag in Südafrika beherrscht, sind am Samstag im armen Soweto mit seinen Blechhütten und Streichholzschachtelhäusern einige Barrieren aufgebrochen worden: „Jeder war freundlich, das Spiel war klasse. Einen Weißen in den Straßen von Soweto mit einem Bier in der Hand zu sehen, das ist toll. Wir werden wiederkommen“, meint Jeanne Hesquar, eingefleischter Bulls-Fan.

MARTINA SCHWIKOWSKI