ORTSTERMIN: JO LENDLE KEHRT NACH OSNABRÜCK ZURÜCK. FÜR EINE LESUNG WENIGSTENS
: Kontinuität versus Romantik

Osnabrück kennt Jo Lendle dagegen bisher nur im Dunkeln

Über Hanser möchte Jo Lendle nicht mehr reden. Zu viel wurde er in den letzten Monaten nach seinem Posten als neuer Chef des Münchener Verlags ausgefragt. Dabei tritt er seinen Posten erst zum Jahreswechsel an. Deshalb, lässt er vorab wissen, würde er lieber über etwas anderes sprechen. Sein neues Buch etwa.

Das heißt „Was wir Liebe nennen“ und ist, was der Titel sagt: eine Liebesgeschichte. Das ist neu im Oeuvre Lendles, in dessen bisherigen Romanen es um Einsamkeit ging. Da ist sein neuer Protagonist Lambert in einer anderen Lage: Er lässt für einen dreitägigen Trip nach Kanada Freundin Andrea zu Hause und trifft dort auf Fe, in die er sich verliebt. Das stellt ihn vor die Frage: zurückkehren oder nicht?

Eine Heimkehr würde Lambert nach Osnabrück führen. In die Stadt also, in die Autor Lendle am Montagabend zu einer Lesung gekommen ist. Vorher sitzt er noch im Foyer seines Hotels. Die Wände in dem alten Haus sind holzvertäfelt. Überhaupt strahlt das Hotel eine bürgerliche Gemütlichkeit aus. Das also, wofür die mittelgroße Stadt im Roman auch steht?

Das will Lendle so nicht stehen lassen. Heimat sei in dem Roman „das Nicht-Aufregende“. Das, was „Lambert nicht mehr sieht“, weil es so selbstverständlich ist. Er verlässt die Stadt, um zu einem Kongress nach Montreal zu fliegen. Eine „Auszeit vom Leben“, heißt es dazu im Buch.

Dass die ein Ende nimmt und Lambert zurückkehrt, macht der Romanschluss wahrscheinlich. Nichts mit großer Liebe also. Jo Lendle nennt das „das Konzept der Kontinuität“. Ihm ist bewusst, dass Beständigkeit kein Wert ist, der „in Literatur und Kunst hoch geschätzt wird“. Er selbst hält viel darauf. „Bei mir geht es aber eher um die Kontinuität mit Menschen“, sagt er. Etwa um die mit Frau und Kindern.

Was dagegen seine Wohnorte angeht, gab es viel Bewegung in seinem Leben. Geboren wurde Jo Lendle wie sein Held in: Osnabrück. Doch anders als Lambert verbrachte er nicht sein Leben dort. Als er ein paar Monate alt war, zogen seine Eltern nach Washington. Danach ging es zurück nach Deutschland. Einen Großteil seiner Jugend verbrachte Lendle in Göttingen.

Osnabrück kennt er dagegen bisher nur im Dunkeln. Im vergangenen Jahr war er schon einmal zu einer Lesung dort und musste frühmorgens gleich weiterfahren. Das hat gereicht, um ihn zum Romananfang von „Was wir Liebe nennen“ zu inspirieren. Ganze anderthalb Seiten nimmt Osnabrück als Schauplatz im Buch ein. Die liest Lendle bei seiner Lesung im Blue Note. Dann geht es mit Passagen über Lambert und Fe in Kanada weiter. Die nüchterne Situationskomik des Romans kommt dabei gut rüber. Spektakulär wird’s nicht, aber unterhaltsam. Lendle referiert über die Liebe aus der nüchternen Sicht der Naturwissenschaften. Das passt ins Konzept der Kontinuität. Und zu Osnabrück.  ANNE REINERT

weitere Lesung: 18. Dezember, 20 Uhr, Literarisches Zentrum, Göttingen