Familie kriegt Packung

Die Einführung von Familienzentren wird von SozialpädagogInnen und ErzieherInnen begrüßt. Der Erfolg des NRW-Projekts hinge aber entscheidend davon ab, dass Problemfamilien erreicht würden

AUS DÜSSELDORFNATALIE WIESMANN

ErzieherInnen und SozialpädagogInnen stehen einer Einführung von Familienzentren grundsätzlich positiv gegenüber. Bei einer öffentlichen Anhörung in Düsseldorf trugen sie dem Ausschuss für Kinder und Jugend im Landtag allerdings auch viele Bedenken vor: Es sei nicht klar, ob das Hilfsangebot Familien mit Erziehungsproblemen wirklich erreiche. Die Streichung von Haushaltsmitteln im Bereich der Kindertagesstätten (Kitas) und der Familienberatung sei außerdem völlig kontraproduktiv.

Auch das Tempo der nordrhein-westfälischen Landesregierung beim Ausbau der Familienzentren wird mit Skepsis beobachtet: „Wenn ein Projekt so schnell wachsen soll, leidet meist die Qualität darunter“, sagt Stefan Sell, Direktor des Instituts für Bildungs- und Sozialmanangement an der FH Koblenz. Die Absicht des Landes NRW, bis 2010 ein Drittel der 9.600 Kindertagesstätten zu Familienzentren auszubauen, überfordere das Kita-Personal.

Denn dort soll zur klassischen Betreuung nicht nur Erziehungsberatung hinzukommen. Familienzentren sollen Tagesmütter vermitteln und frühe Sprachförderung betreiben. Dazu müssten ErzieherInnen ständig die Entwicklung der Kinder dokumentieren. All das könnten ErzieherInnen nicht bewältigen. „Ich befürchte, dass dann Kitas nur umetikettiert werden“, so Sell.

Dass die Familienzentren nur „Verpackung“ bleiben, befürchtet auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). „ErzieherInnen müssen besser ausgebildet werden“, sagte Thomas Fischbach, Vorsitzender des BVKJ Nordrhein. Der Staat müsse außerdem darüber nachdenken, mit welchen Mitteln er Eltern erreichen könne, die jedwede Hilfestellung ablehnen oder gleichgültig gegenüber stehen. „Es muss doch darum gehen, Fehlentwicklungen – bis hin zum Tod von Kindern verrohter Eltern – zu verhindern.“

Um an die Eltern heranzukommen, müsse man ihnen etwas anbieten, sagte Sell. Mit „wir bieten dir eine Beratung an, weil du mit deinen Kindern nicht klar kommst“, könne man Eltern nicht für sich gewinnen. Der Erziehungswissenschaftler aus Koblenz schlug deshalb vor, längerfristig die Familienzentren nach englischem Vorbild um Qualifizierungs- und Jobangebote für die Eltern zu erweitern.

Sybille Stöbe-Blossey vom Institut für Arbeit und Technik (IAT) sieht aber nicht nur in Problemvierteln einen Bedarf an Familienzentren. „Auch gut qualifizierte, berufstätige Eltern sind auf Beratung und Tagesmütter angewiesen“, sagt Sybille Stöbe-Blossey vom Institut für Arbeit und Technik (IAT). Die neuen Einrichtungen müssten dafür ihre Betreuungszeiten erweitern.

Das Projekt kann laut Kinderschutzbund NRW aber nur erfolgreich sein, wenn die Kürzungen vom Land im Kita-Bereich und bei der Familienbildung zurückgenommen werden. „Man kann nicht alle gerupften Hühner in einen Käfig sperren und hoffen, dass sie mehr Eier legen“, brachte ihr Vorsitzender Dieter Greese die Problematik auf den Punkt.