: Glühwein – mit oder ohne Schuss?Mit
BRENNEN Warmer Wein macht nicht schneller betrunken. Rum und Amaretto können helfen
Die sonntaz-Frage wird vorab online gestellt.
Immer am Dienstagmittag. Wir wählen eine interessante
Antwort aus und drucken sie dann in der sonntaz.
Alexander Grupe, 35, ist Landesvorsitzender Partei Die Partei Hamburg
Für mich als politischen Verantwortungsträger ist klar: Verbraucherschutz ist Wählerschutz. Unsere Wähler gehen nicht auf den Glühweinmarkt, um sich mit Pestiziden, Schwefeldioxid und Batteriesäure zu vergiften. Sondern mit ordentlich Alkohol und Zucker! Der sympathischen Glühweinindustrie kann ja schwerlich zugemutet werden, jeden einzelnen Kanister vor der Befüllung aufwändig von Staub und Fuselresten zu reinigen – ein bisschen Chemie zur Desinfektion muss leider sein. Zahlreiche Studien, die uns engagierte Lobbyisten auf dem Christkindlmarkt zugesteckt haben, belegen eindeutig, dass ein bisschen Chlor mit genug Alkohol verdünnt gesundheitlich völlig unbedenklich ist und kaum zu schmecken. Partei-Wähler wissen das und sparen selbstverständlich nicht am Schuss. Alle anderen, sogenannte Fehlwähler, sollen gerne weiterhin Lack saufen und SPD wählen.
John Meehan, 59, ist Funktionär der größten irischen Gewerkschaft in Dublin Natürlich gehört in den Glühwein ein anständiger Schuss Whiskey. Sonst wäre es ein viktorianisches Getränk. Charles Dickens hat dem „mulled wine“ in seiner Weihnachtsgeschichte ein Denkmal gesetzt. Besonders beliebt war damals der „rauchende Bischof“: Glühwein mit der üblichen Gewürzmischung und einem Schuss Portwein. Das macht die Sache aber zu klebrig, während der Whiskey ihr etwas Zack verleiht. Wenn ich es bedenke, sollte man auch den Wein weglassen, er irritiert den Whiskey nur. Das gilt auch für die Gewürze – bis auf die Nelken, mit denen man eine Zitronenscheibe spickt. Dann noch ein wenig brauner Zucker, heißes Wasser statt Wein, fertig: „Hot Whiskey“. Das ist der irische Glühwein. Man kann ihn das ganze Jahr über zur Vorbeugung gegen Erkältungen trinken, und zu Weihnachten allemal, denn: „Is deacair amhran a radh gan gloine“ – es ist schwer, mit einem leeren Glas zu singen.
Marcel Schmitz, 33, arbeitet am „Oecher“-Glühweinstand in Aachen
Bei einem perfekten Glühwein sollte der Grundwein, den der Winzer liebevoll ausgesucht hat, klar erkennbar sein. Schmeckt der Glühwein nur nach Zucker und Gewürzen, ist die Gefahr hoch, dass die schlechte Qualität vom Wein kaschiert werden soll. Daher empfehle ich, speziell beim ersten Probieren, den Glühwein pur zu trinken, um die wahre Qualität zu erkennen. Falls die Neugierde und die Freude am Experimentieren mit Schuss überwiegen sollten, sind Spirituosen von hoher Qualität Pflicht – beispielsweise ein Himbeergeist, der die Frucht vom Glühwein harmonisch abrundet. Oder ein exzellenter Weinbrand. Testen Sie Ihre oder Ihren GlühweinverkäuferIn und lassen Sie es sich schmecken.
Tina Trelle, 23, ist taz-Leserin und Hörfunkjournalistin in und rund um Dortmund
Vielleicht gibt es Menschen, die versuchen sich mit dem verkochten, überteuerten Gesöff zu betrinken. Und bestimmt auch welche, die warmen Rotwein mit „weihnachtlichen“ Gewürzen total lecker finden. Aber ich glaube, beim Glühweintrinken geht es um das Gefühl, das Miteinander. Und das Lachen über die rot-gefärbten Zähne nach der zweiten Tasse. Glühweintrinken ist wie Rauchen: Es schmeckt nicht, ist teuer und ungesund. Aber verdammt nochmal dieses Gemeinschaftsgefühl – einmalig! Wenn ich mich entscheiden muss, bin ich für den Schuss. Dazu läuft passende Dudelmusik, überall hängen Lichterketten, es ist arschkalt, riecht nach gebratenen Champignons und – eben auch nach Glühwein. Hinterher wird die Zwei-Euro-Pfand-Tasse mit nach Hause genommen.
Ohne
Kurt Beck, 64, war von 1994 bis 2013 Ministerpräsident des Landes Rheinland-PfalzGlühwein, Weihnachtszeit, Frost und besinnliche Stimmung gehören zusammen. Aber es muss ein echter Glühwein sein! Keiner, der fertig aus der Flasche kommt. Keiner, der nach Schnaps riecht. Guter Glühwein muss auf der Basis von gutem Rotwein, mit – nicht zu vielen – Gewürzen geköchelt sein. Wer warmen Schnaps oder Rum bevorzugt, der soll Grog trinken. Also, klare Ansage: richtig guter Wein, allenfalls ein Hauch Spirituosen.
Der Weihnachtsmann, ist erreichbar unter weihnachtsmann.de
Ich freue mich über die Weihnachtsmärkte, stimmen diese uns doch so schön auf das Fest ein. Sie bieten den nötigen Raum, sich gemeinsam mit Freunden zu besinnen. Ich bekomme jedes Jahr sehr viele Wünsche von Kindern und Erwachsenen geschickt. Der häufigste ist: mehr Zeit mit Papa und Familie. Mein Wunsch ist, dass die Weihnachtsmärkte kindgerechter werden und die Väter gemeinsam mit den Kindern kommen. Glühwein mit Schuss oder ohne ist für mich also keine Frage des Geschmacks. Die klare Antwort: Wo Kinder sind, hat harter Alkohol nichts verloren.
Nelson Müller, 34, ist Sternekoch und moderiert die ZDF-„Küchenschlacht“
Ich habe auf Sylt gelernt, wie man richtig guten Glühwein zubereitet. Dafür zwei Flaschen guten Rotwein und Portwein aufwärmen, jeweils eine Orange und eine Zitrone schälen, diese in den Wein geben. Zwei frische Orangen auspressen und den Saft sowie eine Zimtstange, Sternanis, Vanilleschote und Nelken dazugeben. Der Glühwein sollte nicht aufkochen. Nach rund zwei Stunden die Gewürze absieben und etwas Abrieb einer Tonkabohne hinzugeben.
Nils Brübach, 51, ist Archivar und entdeckte ein altes Glühweinrezept wieder
Ohne Schuss – nicht nur weil es in dem jüngst wieder aufgefundenen handschriftlichen Rezept des Raugrafen von Wackerbarth von 1834 so vorgegeben ist. Auch ältere historische Rezeptsammlungen erwähnen die Zugabe von Branntwein mit keinem Wort. Man braucht keine „Weinkünsteleyen“, um einen Glühwein herzustellen, den man auch noch am nächsten Morgen in guter Erinnerung behält. Zimtrinde, Ingwer, Zucker und guter Wein, das sind die in historischen Rezepten verbürgten Zutaten. Mehr braucht man nicht: „Dies Geträncke ist anmuthig, wird morgens nüchtern getruncken, den blöden Magen zu stärcken … sonderlich (in der) Winterzeit“. So Zedlers Universallexikon von 1747. Prosit!
Anne-Catherine Ferber, 23, ist Deutsche Glüh- und Stadtweinkönigin in TrierDer Duft von Glühwein an Weihnachten ist Wellness für die Sinne. Der positive Geruch des Glühweins beruht auf der Kombination aller Gewürze. Wird ein solch ausgewogenes Getränk mit Likör, Rum oder Weinbrand verlängert, entsteht eine Verfälschung des eigentlichen Geschmacks. Mir persönlich kommt kein Schuss in die Glühweintasse. Im Übrigen handelt es sich dann auch nicht mehr um Glühwein, sondern um Punsch. Ein Glühwein in geselliger Runde auf dem Weihnachtsmarkt soll wärmen, ohne den Geist zu vernebeln. Ich warne sogar vor dem Schuss, denn dann wird es schwierig, den Alkoholspiegel selber einzuschätzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen