Mit „U-U-Uribe“ gegen die Linkswende

Kolumbien trotzt dem lateinamerikanischen Zeitgeist: Rechter Präsident Álvaro Uribe erringt Erdrutschsieg bei Wahlen. Linkskandidat Gaviria nur bei 22 Prozent. Der Wahlsieger kündigt Annäherung an den Erzfeind Chávez in Venezuela an

AUS BOGOTÁ GERHARD DILGER

Kolumbiens Oberschicht hat allen Grund zum Jubeln. Nach Schließung der Wahllokale versammeln sich im „Britischen Saal“ von Bogotás Nobelhotel Tequendama hunderte Parteigänger von Präsident Álvaro Uribe. „U-U-Uribe“, skandiert die zahlreich vertretene Jeunesse dorée, als die ersten Teilergebnisse an der Wand erscheinen. Vor dem Hoteleingang schwenkt eine Gruppe Uribistas aus der armen Südstadt der kolumbianischen Hauptstadt Papierfähnchen mit der Aufschrift „Vorwärts, Präsident!“.

Nach zwei Stunden steht fest: Mit 62 Prozent der gültigen Stimmen ist der Triumph des Staatschefs noch deutlicher ausgefallen, als es die Umfragen erwarten ließen. 7,4 Millionen KolumbianerInnen haben für Uribe gestimmt. Das entspricht zwar weniger als einem Drittel der 26,7 Millionen Wahlberechtigten, aber es sind es sind fast dreimal so viele Stimmen, wie Carlos Gaviria auf sich vereinigen konnte, Uribes Gegenspieler von der Linkspartei Demokratischer Alternativer Pol. 22 Prozent erzielte der frühere Verfassungsrichter.

Das ist immerhin mehr als bei der letzten Wahl 2002, als der linke Kandidat Lucho Garzón, mittlerweile Bürgermeister von Bogotá, es auf 6 Prozent gebracht hatte. „In Wirklichkeit feiern wir einen Sieg“, ruft denn auch Gaviria seinen Anhängern zu. Die Linke hat die Liberalen als wichtigste Kraft der Opposition überrundet – der Liberale Horacio Serpa schaffte in seinem dritten Anlauf gerade noch 11,8 Prozent. Gavirias Rede wird live in den Britischen Saal übertragen und dort erstaunlich respektvoll aufgenommen.

Eine Stunde später behauptet der wiedergewählte Präsident Uribe, er werde sich für eine pluralistische, bunte Nation „ohne Ausgrenzungen, ohne Klassenhass“ einsetzen. Dem Demokratischen Alternativen Pol verspricht er, dieser werde „wie bisher sämtliche Garantien“ haben, Kritik ausüben zu dürfen, aber er sei zugleich eingeladen, sich an gemeinsamen Entscheidungen zu beteiligen.

Dass der zierliche Mann mit der randlosen Brille so auftrumpfen kann, obwohl ein Ende des 40-jährigen bürgerkriegsähnlichen Konflikts in Kolumbien nicht abzusehen ist, hat Uribe seinem Kriegskurs gegen die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) zu verdanken, die 1983 seinen Vater ermordet hatten. Durch eine beispiellose Offensive mit massiver Unterstützung der USA wurden die Aufständischen in abgelegene Landesteile Kolumbiens gedrängt. Vor allem der städtischen Bevölkerung vermittelte der Präsident dadurch ein Gefühl von Sicherheit, das unter seinen Vorgängern immer mehr verloren gegangen war.

„Die Zahl der Mord- und Entführungsfälle ist auf dem niedrigsten Stand seit 18 Jahren“, sagt der Sicherheitsexperte Alfredo Rangel der taz, „die Straßensperren der Guerilla und ihre Überfälle auf Ortschaften haben deutlich abgenommen. Die Menschen haben das Gefühl: Uribe hält Wort.“ Die großen Medien stehen fast geschlossen hinter dem Staatschef. Fast unter geht daher, dass sich die soziale Schieflage wegen Uribes neoliberalem Wirtschaftskurs noch verschärft hat und der Drogenhandel blüht wie eh und je. „Seit acht, zehn Jahren gibt es keine Fortschritte“, räumt Uribe-Fan Rangel zu diesem Thema ein und mahnt einen Kurswechsel an.

Korruption von Vertrauten im Staatsapparat oder die Aktivitäten der rechtsextremen Todesschwadronen werden selten dem Präsidenten angekreidet, obwohl er in solchen Fällen erstaunliche Milde walten lässt. „Demokratische Sicherheit“, „Autorität“ und „Arbeit, Arbeit, Arbeit“ sind seine Lieblingsvokabeln. Außenpolitisch ist Uribe Pragmatiker: Neben der strategischen Allianz mit den USA setzt er auf engere Zusammenarbeit mit seinen Nachbarn, auch mit seinem ideologischen Gegenpol Hugo Chávez aus Venezuela. „Chávez ist nicht das Problem“, sagte Uribe auf einer Pressekonferenz am Samstag. Kuba schätzt er als Mittler bei den Friedensgesprächen mit der kleineren Rebellengruppe Heer zur nationalen Befreiung (ELN). Und er weiß: Militärisch sind die Farc-Rebellen nicht zu bezwingen. Er schließt Verhandlungen nicht mehr aus, doch die Rebellen haben diese bislang immer wieder abgelehnt.

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