: Knietief sitzt die Badehose
POP The Drums aus New York spielten am Montag im gut gefüllten Postbahnhof. Im Vordergrund herrschte Hyperironie, im Hintergrund pulsierte das Playback
Surfen in der Badewanne. Und mit dem Regenschirm aufs Rockkonzert: Der nächste Hype steht vor der Tür, und ein neugieriges Publikum war in den Postbahnhof gekommen, um ihn vorab schon einmal in Augenschein zu nehmen: The Drums aus New York. Vier junge Racker, Anfang 20, die mit fast schon aggressiver Guter-Laune-Musik, einer Überdosis Camp und strandfüllender Ironie derzeit bei Youtube etc. rauf- und runtergeklickt werden und an diesem Montagabend eben, eine Woche vor Veröffentlichung ihres Debüts, schon ordentlich Publikum ziehen.
Der große Hit heißt „Let’s Go Surfing“ und zeigt an, wohin die Reise geht. Es ist ein sehr schönes, mit Ilse-Werner-Pfiff versehenes Surfstück, nach vorn und geradeaus; wobei „Surf“ hier von den Beach Boys stammt, die Ramones und Weezer aber durchaus mitmeint und irgendwie mit zu langer Badehose knietief in den frühen Achtzigern steckt. Die Stimme, das Gehabe, dieser ganze knallbunte, schreiende Popstil: Pop mit drei Ausrufezeichen, wie bei ABC, wie bei den B-52’s. Ein interessantes Konzept, könnte man distanziert anmerken, oder ein irrsinniger Wahnwitz, der camper ist als John Waters. Völlig sinnentleerte Popmusik, die nur von ewiger Liebe, Sommer und Spaß am Strand handelt und das eben nur noch in Verkleidung und mit Hyperironie tun kann.
The Drums haben nichts zu sagen, könnte man sagen. In ihrer ersten erfolgreichen Single „Best Friend“ wird der verstorbene beste Freund besungen, im Refrain heißt es: „You were my best friend, but then you died? And how will I survive?“ Aber ernst nehmen kann man das nicht. Dazu wird der Song eben, man schaue sich nur den Clip im Netz an, zu doppelbödig dargebracht. Besser: zu bodenlos. Live war es entsprechend. Jonathan Pierce gab den Frontmann, mit seltsamen, verdrehten Gesten, die immer ironisch, aber nur manchmal lustig waren. Eine Art Parodie auf die schwule Parodie auf Ian Curtis. Jacob Graham und Adam Kessler links und rechts gaben sich genauso zappelig oder betont cool und spielten dabei fast die gleiche Gitarre: zwei in Manchester gefertigte Surfgitarren, New Order lagen gar nicht so weit von den Surfaris entfernt. Trommler Connor Hanwick war damit beschäftigt, den Beat zu halten. Denn die Band, die am Morgen erst vom Primavera Festival angereist kam, war müde.
Und im Hintergrund pulsierte unerbittlich das Playback. Ja, recht gelesen: Synthiebass, Zusatzperkussion, Pfeifen und Synthiesounds kamen aus der Dose, aus dem straighten, unsichtbaren Automaten, und zwangen der Band nicht nur das Tempo auf, sondern verdrehten das ganze surreale Gehabe noch eine Windung weiter. Eine Windung zu weit. Besonders in den schlechteren Stücken wirkten The Drums wie eine Band, die sich nicht zwischen dem Auftritt bei „Top of the Pops“ und echtem Rock ’n’ Roll entscheiden konnte. Konnte sie auch nicht.
Und mehr als eine Handvoll guter Stücke ist noch nicht herausgekommen. Immerhin, zum Ende des Konzerts fing sich die Band. Das Tempo zog an, der Surf übernahm das Kommando, das Schlagerhafte der schwächeren Stücke trat zurück. Das Publikum zeigte sich dankbar. Mag sein, dass dieses aufgeklärte, gemischte Publikum aus Nerds, weiblichen Britpopfans und wissenden Connaisseuren gar nicht das Zielpublikum dieser Band war. Mal sehen, ob The Drums demnächst tatsächlich bei „Top of the Pops“ spielen. Vor kreischenden Teenagern, denen die Ironie egal ist, die das Gehabe sexy finden und zwischen Konserve und Live nicht unterscheiden können oder wollen.
Bis dahin: Lass uns surfen gehen. Ich habe das Wasser schon einmal eingelassen. RENÉ HAMANN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen