ThyssenKrupp steckt tief in roten Zahlen

INDUSTRIE Deutschlands größter Stahlkocher macht erneut Milliardenverluste – und Konzernchef Hiesinger will sich nicht festlegen, wann wieder Geld verdient werden kann. Kapitalerhöhung geplant

ESSEN rtr/taz | Deutschlands größtem Stahlkonzern, ThyssenKrupp, droht ein weiteres Verlustjahr. Konzernchef Heinrich Hiesinger will sich nicht festlegen, wann der Konzern wieder schwarze Zahlen schreibt. „Wir sind zuversichtlich und fest entschlossen, im nächsten Jahr eine deutliche Verbesserung in Richtung eines wieder ausgeglichenen Jahresergebnisses erreichen zu können“, sagte er bei der Bilanzpressekonferenz am Samstag in Essen.

Weitere Einsparungen sollen für Entspannung sorgen – ebenso wie eine Kapitalerhöhung. Wann die kommen wird, ließ Hiesinger aber offen. Mit der geplanten Erhöhung von bis zu 10 Prozent könnte ThyssenKrupp rund eine Milliarde Euro einnehmen. Der Konzern braucht das Geld unbedingt: Die Essener drücken Schulden von 5 Milliarden Euro, die Eigenkapitalquote liegt bei 7,1 Prozent – kein DAX-Konzern steht schlechter da.

Hiesinger machte klar, dass rasche Lösungen nicht in Sicht seien: „Befreiungsschläge gibt es nicht.“ Ein Unternehmen, das sich über Jahre hinweg in eine tiefe Krise manövriert habe, benötige auch Jahre, um wieder auf eine vernünftige Basis zu kommen. „Wir lassen uns nicht treiben. Manchmal muss man kleine Schritte gehen.“

Zuvor hatte der Vorstandsvorsitzende seine Pläne aufgeben müssen, die beiden Problem-Stahlwerke des Konzerns in Amerika auf einmal abzustoßen. Während die US-Fabrik für rund 1,1 Milliarden Euro an ArcelorMittal und Nippon Steel geht, bleibt der Konzern auf dem Rohstahlwerk in Brasilien sitzen. Zuvor waren die Kosten für beide Werke auf fast 13 Milliarden Euro explodiert. Mehr als 8 Milliarden entfielen allein auf das fehleranfällige Werk im Bundesstaat Rio de Janeiro.

Die beiden Standorte hatten im abgelaufenen Geschäftsjahr erneut maßgeblich dazu beigetragen, dass ThyssenKrupp das dritte Mal in Folge einen Nettoverlust einfuhr. Dieser war mit einem Fehlbetrag von rund 1,5 Milliarden Euro zwar deutlich niedriger als die 5 Milliarden Euro Miese im Jahr zuvor. Eine Dividende soll es aber wieder nicht geben. Zuletzt hatten die Anleger für das Jahr 2010/11 – trotz eines Milliardenverlustes – eine Ausschüttung von 45 Cent je Aktie erhalten. „Die Finanzzahlen erlauben keine Dividende“, stellte Hiesinger klar.

Auch andere Bereiche des Konzerns schwächeln. So erzielte die europäische Stahlsparte im abgelaufenen Geschäftsjahr einen um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 143 Millionen Euro: ein Minus von 42 Prozent zum Vorjahr. Auch die Geschäfte mit Autoteilen und Dienstleistungen litten unter Rückgängen. Die Aufzugsparte, die Hiesinger mit Zukäufen stärken will, konnte dagegen operativ um 15 Prozent auf 675 Millionen Euro zulegen.