Auf der Skateboard-Rampe

Jugendliche spielen schillernd eine türkisch-deutsche Räuberbande im Zentrum Altenberg. Das Theater Oberhausen zeigt seine Produktion „Die Räuber“ als interkulturelles Außenprojekt

VON PETER ORTMANN

Der coole Plot stammt von Friedrich Schiller. Das lässige Outfit wohl vom Filmepos über Mad Max. Die Bühne ist eine geschwungene Skateboard-Rampe. Das Theater Oberhausen geht neue Wege, integriert für „Die Räuber“ Jugendliche aus deutschen und Migranten-Familien ins Ensemble. Gerade Sprösslinge aus türkisch-stämmigen Familien zeigten sich von diesem interkulturellen Projekt angesprochen. Ihre Familien leben oft seit mehreren Generationen in Deutschland. Doch der Zugang zur Kultur, zum Theater ist oft nicht leicht. Jetzt hatten sie die Möglichkeit, bei einer Schiller-Inszenierung mitzuwirken und das Theater kennen zu lernen – als Räuberbande.

Es ist eine sehr körperbetonte Aufführung im soziokulturellen Zentrum Altenberg hinter dem Hauptbahnhof. Schon während das Publikum seine Plätze suchte, balgten sich sie beiden Brüder Karl und Franz Moor auf der Skateboard-Rampe. Fuhren Roller, spielten Ball. Franz, der zweitgeborene (wunderbar gespielt von Theater-Ensemblemitglied Antonio Lallo, der in der nächsten Spielzeit leider nach Ulm geht), wirkt da schon etwas linkisch, versucht hilflos seinem Vater zu imponieren. Doch Karl (auch aus dem Ensemble: Nikolaus Benda) dominiert seinen Bruder, ist flinker, besser, toller und kann den Ball fester werfen. Franz ersinnt eine Intrige, um seinem Bruder das Erstgeborenenrecht zu nehmen. Er fingiert seine Briefe, die den Vater verzweifeln und Karls Braut ins Unglück stürzen lassen. Karl beschließt, vom Bruder getäuscht, nun Räuberhauptmann zu werden. Wie ein zweiter Robin Hood tritt er mit seinen Leuten in den Wäldern als Rächer der Unterdrückten auf, wobei einige seiner Männer, allen voran Spiegelberg, eher reine Boshaftigkeit an den Tag legen.

Diese Bande spielen nun die Jugendlichen. Krachend laut stürmen sie die Rampe auf und ab, posen als martialische Krieger. Das wilde Leben macht ihnen sichtlich Spaß, sicher auch ihr gefährliches Outfit mit blanken Nägeln und bunten Tattoos. Das Leben als Räuber ist auch kein Zuckerschlecken, manchmal verzieht der eine oder andere schmerzverzerrt die Miene, kleinere Blessuren sind in dieser Inszenierung von Harald Demmer eben nicht ausgeschlossen. Ihren Text haben sie aber immer parat, wenn auch die schauspielerischen Qualitätsunterschiede auffallen. Egal.

Noch einmal will Karl seine Braut Amalia von Edelreich (sehr intensiv: Nathalie Orthen vom Theater Oberhausen) sehen. Er kehrt zum väterlichen Schloss zurück, findet den fast verhungerten Vater und durchschaut die Intrige. Doch er hat sich zu lange am Rande der Gesellschaft bewegt, eine Rückkehr ist ausgeschlossen, die Rache siegt, Bruder Franz erschießt sich, der Vater stirbt in Karls Armen, die Braut ersticht er selbst. Ist eben alles blöd gelaufen für den schönen Karl. Er bleibt bei den Räubern und opfert sich für sie.

Vor 230 Jahren schrieb Schiller das Stück in seiner Sturm- und Drangzeit, doch der Stoff bleibt aktuell. Hohe Jugendarbeitslosigkeit, die verstärkt Jugendliche aus Migranten-Familien trifft, schafft ein soziales Klima, in dem Jugendliche nur Gewalt und Verbrechen als Lebensmöglichkeit sehen. So erklärt das Theater Oberhausen die Stück-Auswahl, deren Aufführung viel Beifall bekam, in Anwesenheit von Kultur-Dezernent Süleyman Cengiz und Kemal Sigicikoglu, Bürgermeister der Partnerstadt Mersin in der Türkei.

19:30 Uhr, Zentrum Altenberg, OBInfos: 0208-8578184