„Die Kürzungen sind nicht zu verkraften“

Ex-Landesverkehrsminister Axel Horstmann (SPD) fordert von der Landesregierung mehr Druck auf Berlin

taz: Herr Horstmann, Gewerkschaften, Naturschutz- und Fahrgastverbände protestieren gegen die bevorstehenden massiven Kürzungen beim Nahverkehr. Auch Sie selbst haben Ihren Parteifreund, Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, vor Einschnitten gewarnt. Wie hat Tiefensee reagiert?

Axel Horstmann: Im Gespräch mit dem Bundesverkehrsminister habe ich die Interessen des Landes vertreten. Die geplanten Einschnitte sind für Nordrhein-Westfalen nicht zu verkraften – und das sehen die nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten genauso.

Aber was sagt der Bundesverkehrsminister?

Der will natürlich den bevorstehenden Beratungen nicht vorgreifen. Aber er verweist schon heute auf Haushaltszwänge – und darauf, dass die Ministerpräsidenten der Länder bereits Zustimmung für die Kürzungspläne des Bundes signalisiert haben. Das gilt auch für Herrn Rüttgers. Die Debatte muss also neu entfacht werden, denn vielen wird erst allmählich klar: Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe sind ohne unakzeptable Einschränkungen des Nahverkehrsangebots nicht möglich.

Ihr christdemokratischer Nachfolger, Landesverkehrsminister Oliver Wittke, hat also geschlafen?

Herr Wittke hat am Anfang nicht nur beschwichtigt, sondern die bisherige Nahverkehrspolitik des Landes selbst in Frage gestellt. Ich freue mich zwar, wenn er jetzt gegen die bevorstehenden Kürzungen protestiert. Praktisch aber schadet Wittke dem Nahverkehr: Er selbst hat die Landesmittel für den Nahverkehr bereits um 27 Millionen Euro gekürzt. Es ist doch unglaubwürdig, gleichzeitig keine Kürzungen des Bundes zu erwarten. Das stärkt die nordrhein-westfälische Position gegenüber der Bundesregierung in Berlin nicht gerade.

Also müsste CDU-Regierungschef Jürgen Rüttgers Einfluss nehmen?

Rüttgers war doch selbst Mitglied der Verhandlungskommission, die den Berliner Koalitionsvertrag ausgehandelt und auch die Kürzungen im Nahverkehrsbereich beschlossen hat. Der Ministerpräsident hat den Sparplänen also zugestimmt. Ich hoffe aber, dass Rüttgers seine Position wie so oft noch im Nachhinein verändert.

Bis zur Unkenntlichkeit geschrumpft wird auch der Rhein-Ruhr-Express. Das Prestigeprojekt des NRW-Nahverkehrs soll jetzt doch langsamer werden, keine eigenen Gleise erhalten, weniger oft fahren. Nicht einmal neue Waggons soll es geben.

Ich hoffe, dass sich das so nicht bewahrheitet. Wichtig sind besonders die Investitionen in die Infrastruktur. Wir brauchen zusätzliche Gleise – das Schienennetz besonders im Ballungsraum Rhein-Ruhr ist doch schon heute überlastet. Ohne neue Gleise wird die Bahn nicht pünktlicher. Und mit alten Fahrzeugen ist ein neues Produkt nicht erkennbar. Da muss man den Fahrgästen schon mehr anbieten.

Aber der Bundesverkehrsminister verweist doch auf schon jetzt auf seinen knappen Haushalt?

Das kann hier nicht gelten, die Bundesregierung hat sich gebunden. Für den Rhein-Ruhr-Express gab es eine Zusage von Tiefensees Vorgänger, Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe, genauso wie von Kanzler Schröder. Auf dieses Kanzlerwort muss man jetzt pochen. Und ich fordere, dass die jetzige Landesregierung das auch tut.

INTERVIEW: A. WYPUTTA