Horst Köhler kommt nicht nach Ouagadougou

AFRIKA Burkina Faso trauert: Der deutsche Präsident ist abgetreten, statt zum Staatsbesuch zu kommen

„Er kann gern zu uns als Bürger kommen, wenn es als Präsident nicht mehr geht“

AUS OUAGADOUGOU MARIANNE LANGE

Das Geburtstagspäckchen aus Deutschland kommt am Montagnachmittag an. Im Kreis von Deutschen in Ouagadougou wird es ausgepackt: das Buch „Schicksal Afrika“ von Horst Köhler! Schallendes Gelächter bricht aus. Zweieinhalb Stunden vorher hat man hier vom Rücktritt des Bundespräsidenten erfahren. Dabei hat sich der Präsident mit Ehefrau und Delegation für den kommenden Sonntag zum Staatsbesuch in Burkina Fasos Hauptstadt angesagt, vier Tage lang bis zur Weiterreise zur WM nach Südafrika. Unzählige Deutsche und Burkinabè sind im Köhler-Countdown, prüfen Termine, Treffpunkte und Allradfahrzeuge. Aber Deutschland hat auf Post-Köhler umgeschwenkt.

Im Schweiß der Mittagshitze bei 40 Grad geht also plötzlich die Parole aus: alles auf Eis. Auf Eis alle Gesprächstermine. Auf Eis das „Afrikaforum“ und der afrikanisch-europäische „Runde Tisch“ zum Thema „Kultur und Entwicklung“. Auf Eis der Anstoß mit den Jungkickern, die ihren Schulabschluss mit deutscher Unterstützung machen, auf dem Fußballplatz in „Ouaga 2000“. Auf Eis der Baustellenbesuch des Schlingensief-Operndorfs „Remdoogo“ in Laongo.

„Aufgeschoben, aber hoffentlich nicht aufgehoben“, lautet die Reaktion der Schauspielerin Delphine Ouattara, die den Bau des Operndorfs mit Enthusiasmus verfolgt. „Er kann gern zu uns als Bürger kommen, wenn es als Präsident nicht mehr geht“, hofft sie. Enttäuscht ist Fußballtrainer „George“ Tripp: „Wir hatten so viel vor für den hohen Besuch.“

Ein Ökonom hat Schwierigkeiten, die Gründe für den Rücktritt zu verstehen. Ein Hochschulabsolvent, der gerade Internetnachrichten gelesen hat, zweifelt am Wahrheitsgehalt der Meldung. Dass ein Präsident zurücktritt, ist hier etwas Besonderes. „Unsere Präsidenten in Afrika wollen immer so lange im Amt bleiben“, sagt ein Taxifahrer.

Ein prestigeträchtiger Teil der deutschen Afrikapolitik ist mit Köhlers Rücktritt gestorben. 2007 in Ghana, bei Köhlers regelmäßiger Afrika-Konferenz „Partnerschaft für Afrika“, gab es heiße Diskussionen zwischen Führungskräften und VIPs: Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf, die damalige deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, Peter Eigen von Transparency International, der abends beim Tanz ins Saxofon blies. Sein Partner an der Gitarre, Wolfgang Niedecken, sollte jetzt in Ouagadougou dabei sein, und natürlich Christoph Schlingensief. „Wie bedauerlich für euch und für uns“, findet Schlingensiefs Dolmetscher Abdoulaye Ouattara, der Deutsch studiert und gerade in seiner Hochschule Brecht aufführt. „Ein tolles Projekt, ich schätze ihn sehr, und der Besuch von Präsident Köhler hätte den guten Ruf des Ganzen noch vermehrt.“

Gerade eben hat Schlingensief sein Projekt „Via Intolleranza II “ in Hamburg auf die Bühne gebracht. „Haltet euch raus aus Afrika“, lautete eine seiner Botschaften an das europäische „Weißnasen“-Publikum. Horst Köhler, so scheint es, hat diese Botschaft nun beherzigt.