KARIM EL-GAWHARY ÜBER DIE NEUE VERFASSUNG IN ÄGYPTEN
: Demokratie sieht anders aus

Unterdessen hat sich ein Polizeistaat formiert, der dem Mubaraks in nichts nachsteht

Wie gut ist ein Verfassungsentwurf, der viele positive Paragrafen enthält, wenn ein nicht unwesentlicher Teil der politischen Landschaft aus der verfassungsgebenden Versammlung ausgeschlossen war und gleichzeitig auf den Straßen der Polizeistaat tobt?

Das ist die Frage, die sich die Ägypter stellen müssen. Auf dem Papier sehen viele der beschlossenen Paragrafen gut aus. Mit einer gewichtigen Ausnahme: Das Militär hat sich seine Rolle in der Politik festschreiben lassen. Der Verteidigungsminister soll mindestens für acht Jahre vom Militär bestimmt werden.

Noch problematischer war der Entstehungsprozess dieses Entwurfs, der jetzt zum Referendum vorgelegt wird. Ausgerechnet jene, die bis zum Militärputsch vor fünf Monaten im Land auf gewählter Basis an der Macht waren, die Muslimbruderschaft, waren von der Entscheidungsfindung vollkommen ausgeschlossen. Damit werden sich große Teile der ägyptischen Gesellschaft ganz sicher nicht in dieser Verfassung wiederfinden.

Statt einen neuen Konsens zu suchen, hat sich unterdessen ein Polizeistaat formiert, der dem aus den Zeiten Mubaraks in nichts nachsteht. Ein neues restriktives Demonstrations- und Versammlungsrecht tut das Übrige und wird inzwischen längst nicht mehr gegen die Muslimbruderschaft, sondern auch gegen jeglichen Dissens vonseiten der säkularen Tahrir-Aktivisten angewendet.

Wie in dieser Atmosphäre ein Verfassungsreferendum und Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden sollen, kann derzeit niemand so richtig sagen. Der Fahrplan zu einem demokratischen Übergang steht, aber Militär und Polizei kontrollieren die Weichen, um sicherzustellen, dass der Zug nicht doch noch gegen ihren Willen in eine andere als die vorgegebene Richtung fährt.

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