Die Fronten in Bangkok stehen

THAILAND Auch ein Gespräch zwischen dem selbsternannten Oppositionsführer und der Ministerpräsidentin bringt keine Lösung. Die Schlacht in den Straßen geht einfach weiter

„Wir wollen nur, dass die Kämpfe aufhören“, sagen immer mehr Einwohner in Bangkok

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

Die aufgepeitschte Menge der Demonstranten brüllt, es fliegen nicht nur Steine, Flaschen, sondern auch Feuerwerkskörper und Molotowcocktails in Richtung der Barrikaden. Dahinter hat sich die Polizei verschanzt, die mit Tränengas, Wasserwerfern und Gummigeschossen auf die Protestierenden zielt. Dutzende Menschen werden verwundet, das Chaos ist komplett. Zwischenzeitlich versuchen die Demonstranten, mit einem Bulldozer und einem Müllwagen in Richtung des Regierungssitzes vorzudringen. Die Straßen gleichen einem Schlachtfeld, ein Ende der Gewalt scheint nicht absehbar.

Die Sirenen der Rettungswagen heulen ununterbrochen. Indes hat Premierministerin Yingluck Shinawatra der Gegenseite wiederholt angeboten, einen friedlichen Ausweg aus der Krise zu suchen.

Die Proteste halten Bangkok seit neun Tagen in Atem. Die Demonstranten besetzten Ministerien und öffentliche Gebäude, das Ausmaß der Proteste wurde immer radikaler. Sie fordern nicht nur den Rücktritt der Regierung, sondern gehen gegen das gesamte „Thaksin-Regime“ auf die Straße. Yingluck ist die Schwester des 2006 vom Militär gestürzten Regierungschefs Thaksin Shinawatra. Ihre politischen Gegner werfen Yingluck vor, lediglich eine Marionette ihres Bruders zu sein.

In anderen Teilen der Hauptstadt erscheint der Alltag erst einmal unberührt von der politischen Krise. Doch die Lage ist angespannt, viele Menschen sind still. Und sie fragen sich, ob ihr Land endgültig im Kreislauf politischer Gewalt zu versinken droht. „Wir wollen nur, dass die Kämpfe aufhören“, sagt eine Gruppe von Bewohnern, die weder Anhänger noch Gegner der Regierung sind. Aussicht auf Erfolg haben sie kaum.

Die Fronten haben sich längst immer mehr verhärtet. Die Demonstranten lassen keinerlei Bereitschaft erkennen, auf die Yingluck-Regierung zuzugehen. Als Wortführer der Proteste hat Suthep Thaugsuban erklärt, er halte an seinem kompromisslosen Kurs fest. Nach einem Treffen mit Yingluck am späten Sonntagabend (Ortszeit) sagte er großspurig, es werde keine Verhandlungen mit der Regierung geben. Stattdessen stellte er Yingluck ein zweitägiges Ultimatum, von ihrem Amt zurückzutreten. Dieses wird Dienstagnacht ablaufen. Bizarr an den „Verhandlungen“ ist, dass diese offensichtlich nur auf unmissverständlichen Druck des Militärs zustande gekommen sind, dem sich Suthep wohl nicht entziehen konnte.

Nach den Vorstellungen des Protestführers, gegen den inzwischen ein Haftbefehl wegen „Aufwiegelung“ ausgestellt worden ist, soll ein nicht gewählter „Rat des Volkes“ die gewählte Regierung ersetzen – angeblich nur für eine Übergangszeit.

In Vorbereitung darauf hat Suthep bereits ein Komitee ins Leben gerufen, das aus erklärten Thaksin-Gegnern besteht und dem er selbst als Generalsekretär vorsteht. Noch hat die Armee keinen Versuch gemacht, die Macht zu übernehmen. Im Gegenteil: Als die Demonstranten am Freitag auf das Gelände des Armeehauptquartiers gestürmt waren, hatte ihnen ein Sprecher zu verstehen gegeben, sie sollten unverzüglich abziehen.

Armeechef Prayuth Chan-ocha hatte erklärt, die Streitkräfte würden sich neutral verhalten – vorerst jedenfalls. Zugleich hatte er laut der Zeitung Bangkok Post gesagt, die Armee sei bereit, die Menschen zu beschützen, falls es Gewalt geben solle. Daher stellt sich die Frage, wie sich die Armee angesichts der Eskalation verhalten wird. Kritiker hatten vorab moniert, das Suthep Thaugsuban und dessen engste Unterstützer es darauf anlegten, bewusst Chaos zu schüren, um das Militär zum Eingreifen oder gar zu einem neuen Putsch zu bewegen.