Vodafone entdeckt das Telefonkabel wieder

Nach 32 Milliarden Euro Verlust setzt der Mobilfunkriese auf das Festnetz und streicht 500 Stellen in der Zentrale

BERLIN taz ■ 32 Milliarden Euro Verlust – der Mobilfunkriese Vodafone verbucht den größten Verlust der britischen Unternehmensgeschichte – und trotzdem regt sich niemand auf. Ganz im Gegenteil: An den Finanzmärkten hieß es sogar, die gestern vorgelegte Bilanz des Ende März abgelaufenen Geschäftsjahres sei „besser als erwartet“ ausgefallen.

Bereits im März hatte der Konzern nämlich eingeräumt, dass seine Auslandstöchter viel weniger wert sind als über Jahre hinweg angenommen. Eine dieser Töchter entstammt der Übernahme der deutschen Mannesmann. Nach monatelangem Kampf mit Mannesmann-Chef Klaus Esser zahlte der frühere Vodafone-Chef Chris Gent Anfang 2000 für den Betreiber des D2-Netzes knapp 200 Milliarden Euro. Der Preis galt als gerechtfertigt, weil mit starkem Wachstum in der Branche und auf dem deutschen Markt gerechnet wurde.

Diese Erwartungen erfüllten sich aber nicht und so musste Vodafone den Wert von D2 und anderen Auslandstöchtern im März um 41 Milliarden Euro nach unten korrigieren. Das sorgte jetzt für das tiefrote Ergebnis. Ohne diese Abschreibung hätte Vodafone im vergangenen Geschäftsjahr gut 6 Milliarden Euro verdient.

Doch jetzt übertreffen die Briten sogar den bisherige Rekordverlust der Deutschen Telekom. Der Bonner Konzern hatte nach dem Platzen der Internetblase vor vier Jahren ein Minus von 21,6 Milliarden Euro gemeldet.

Richtig rund läuft es nämlich beim Mobilfunk für Vodafone in Deutschland schon länger nicht mehr. Zwar liegt das Unternehmen mit knapp 30 Millionen Kunden auf Platz zwei hinter T-Mobile. Doch zwischen Januar und März kamen nur 26.000 neue Kunden hinzu – deutlich weniger als in den vorangegangenen Quartalen. Vodafone erklärte das mit der „Konzentration auf besonders umsatzstarke Kunden“. Außerdem tauchten die Prepaid-Kunden – ihre Handy-Karten sind im Voraus bezahlt – nicht mehr in der Statistik auf. Dennoch: „26.000 sind natürlich nicht zufriedenstellend“, sagte Deutschlandchef Friedrich Joussen gestern. Die Konkurrenten waren erfolgreicher: O2 zählte im gleichen Zeitraum 331.000 neue Nutzer, E-Plus 694.000 und T-Mobile immerhin 284.000 neue Kunden.

Auch die milliardenschweren Investitionen in den neuen Mobilfunkstandard UMTS wollen sich nur langsam auszahlen. 2 Millionen UMTS-Nutzer zählte Vodafone, noch nicht mal jeder zehnte Kunde telefoniert oder surft über den teuren High-Speed-Kanal.

Vodafone ändert deshalb seine Strategie: „Wir wollen langfristig unseren Marktanteil vom Mobilfunk auf das Festnetz ausdehnen“, sagte Joussen. Über die Tochter Arcor, die bis vor kurzem noch verkauft oder an die Börse gebracht werden sollte, will Vodafone nun verstärkt schnelle DSL-Internetzugänge an den Kunden bringen, ab Herbst kommen dann noch Kombiangebote aus Mobilfunk und DSL hinzu – ein Großangriff auf die Deutsche Telekom, die ihrerseits gerade im Festnetzgeschäft schwächelt.

Doch der Konzern setzt nicht nur auf Wachstum. In London verkündete Vodafone-Chef Arun Sarin zudem noch ein kräftiges Sparprogramm, das 400 Arbeitsplätze in der Konzernzentrale kosten wird. Zudem will Vodafone alle IT-Abteilungen auslagern und so 550 Millionen britische Pfund im Jahr sparen. Experten rechnen aber damit, dass in Zukunft noch mehr Jobs wegfallen.

In Deutschland beschäftigt das Unternehmen gegenwärtig rund 9.000 Mitarbeiter. Ein Stellenabbau sei nicht geplant, sagte Joussen gestern. STEPHAN KOSCH