Ersatzkasse statt Opposition

Links, sozial, weiblich – Birgit Fischer verkörpert alles, was der NRW-SPD fehlt. Doch in die allererste Reihe ihrer Partei hat es die Landespolitikerin nicht geschafft. Jetzt hört sie auf

VON MARTIN TEIGELER

Es ist ein stiller Abgang – aus der stillen Führungsreserve der SPD. Ex-Ministerin Birgit Fischer hört auf mit der Berufspolitik. 2007 wechselt sie in den Vorstand der Barmer Ersatzkasse. In die allererste Reihe der Landespolitik hatte sie es nie geschafft. Hinter den Clements, Münteferings und Steinbrücks war sie stets die linke Sozialpolitikerin aus dem Ruhrgebiet. Damit ist bald Schluss.

Parteifreunde rätseln über die Motive der 52-Jährigen. „Wer einmal Ministerin war, tut sich verständlicherweise schwer, nur noch in der Opposition zu sein“, sagt ein Mitglied des NRW-SPD-Vorstands. Fischer wolle wohl „gestalten und nicht nur im Landtag über Schwarz-Gelb meckern“. Vor allem Parteilinke sprechen von einem „großen Verlust“ für die personell ohnehin schwächelnde NRW-SPD-Führung. Dass Fischer als Ex-Gesundheitsministerin und SPD-Sozialexpertin nun ausgerechnet bei einer Krankenkasse anfängt, wird als logisch, aber problematisch angesehen. „Wenn sie im SPD-Parteivorstand bleibt, muss sie aufpassen, dass daraus kein Interessenkonflikt wird“, heißt es. Und ob sie als einzige Nichtberufspolitikerin im Parteipräsidium bleiben kann, ist offen.

2004 stand Birgit Fischers politische Laufbahn schon einmal kurz vor dem Ende. Die damalige NRW-Sozialministerin musste sich in Bochum-Wattenscheid einer Kampfkandidatur um ihren Landtagswahlkreis stellen. Mit nur einer Stimme Vorsprung gewann sie gegen einen jungen, unbekannten Gegenkandidaten. Zahlreiche SPD-Delegierte waren sauer auf Fischer, weil das Land den Neubau einer forensischen Klinik für psychisch kranke Straftäter ausgerechnet in ihrem Wahlkreis plante.

Der Konflikt um die Forensik sagt viel über die Politikerin Fischer aus. „Sie steht absolut zu ihren Positionen und kämpft dafür“, sagt ein politischer Weggefährte aus dem Ruhrgebiet. Bis heute läuft der Protest gegen die Klinik – und Fischer hat ihre Meinung zum Thema auch nach der Landtagswahlniederlage von 2005 nicht geändert.

Die Landtagswahl vom 22. Mai 2005. Einige Genossen sehen in der Entwicklung nach der historischen Wahlpleite der NRW-SPD die Ursachen für Birgit Fischers Abgang. Bei der Besetzung der wenigen wichtigen Oppositionsposten wurde die Bochumerin nicht berücksichtigt. „In den entscheidenden Sitzungen hat sie niemand vorgeschlagen und sie selbst hat sich nicht vorgetraut“, sagt ein Landesvorstand. Auch die Unterstützung aus der Heimatregion Westliches Westfalen habe gefehlt. Am Ende fiel die Wahl dann auf Ex-Finanzminister Jochen Dieckmann als Landeschef und auf Ex-Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft als Fraktionsvorsitzende. „Man hat sich damals wohl nicht getraut, zwei Frauen zu nominieren“, sagt ein NRW-SPD-Vorständler.

Links, sozial, weiblich – Birgit Fischer verkörpert eigentlich alles, was der NRW-SPD fehlt. Fehlte ihr selbst am Ende das Machtbewusstsein, nach höheren Posten zu streben? Das Amt der Ministerpräsidentin hätte man ihr parteiintern jedenfalls zugetraut. „Sie hätte 2010 zum Kandidatenkreis für die Spitzenkandidatur gehört“, heißt es.

Statt dessen wird bereits über ein Fischer-Comeback spekuliert. „Vielleicht taucht sie nach ein paar Jahren in der Bundespolitik wieder auf“, sagt ein Genosse. Oder doch irgendwann wieder in NRW? Sie bleibt jedenfalls im Land. Der Hauptsitz der Barmer Ersatzkasse ist bekanntlich in Wuppertal.