Wenn Radikale feiern

Zum 20. Geburtstag kämpft die auf Spenden angewiesene Rechtspostille „Junge Freiheit“ gegen die Bedeutungslosigkeit, verkündet irre Auflagenziele – und hat mal wieder einen Promi-Gratulanten

VON ASTRID GEISLER

Zur Feier des Tages ein Rätsel: Zu ihrem 20. Geburtstag hat die Rechtspostille Junge Freiheit einen erlesenen Gratulanten gewonnen. Einen älteren Herrn mit gutem Namen, der dem Blatt auf einer dreiviertel Seite persönlich dankt und Erfolg wünscht für die Zukunft.

Leseprobe: „Es wurde einsam um uns, die an der Einheit festhielten. Das war die Zeit, in der ich erstmals die Junge Freiheit als Leser wahrnahm. Was sie unverwechselbar machte und sie mir als einen zentralen Teil meiner eigenen politischen Identität erscheinen ließ, das war die Selbstverständlichkeit, mit der sie die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts des deutschen Volkes einforderte (…).“

Unsere Frage: Wer war’s diesmal? – a) Helmut Kohl, b) Martin Walser, c) Rolf Hochhuth

Leider alles falsch: Der Gratulant heißt Karl Feldmeyer, war bis zu seiner Pensionierung Ende 2004 als FAZ-Parlamentskorrespondent tätig und wird in diesem Herbst für sein journalistisches Lebenswerk mit dem renommierten Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet.

Vor ein paar Jahren hätte sich Feldmeyer für derlei Glückwünsche lautstark-öffentliche Empörung abgeholt. Meist reichte es, dem umstrittenen Blatt ein Interview zu geben – wie im Falle der SPD-Politiker Egon Bahr und Peter Glotz oder der Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch.

Und heute? Heute muss man fragen, wen die Rechtsaußen-Zeitung überhaupt noch interessiert. Vor zwölf Jahren zum Start der JF als Wochenzeitung waren noch 150 linke Demonstranten vor das Potsdamer Schlosshotel gezogen – die angekündigte Pressekonferenz fiel flach. Auch die Pressekonferenz zum 20. Geburtstag fand vergangene Woche in noblem Hotel-Ambiente des Maritim Berlin-Mitte statt. Ansonsten war alles anders: Chefredakteur Dieter Stein musste vor fast leerem Saal der vergangenen Jahre gedenken.

Am Kurs der Zeitung kann das neue Desinteresse aber kaum liegen: Die Forderungen nach „Ausländerfreundlichkeit“, erfährt die Leserschaft der Jubiläumsausgabe beispielsweise, entstammten nicht etwa Weltoffenheit, Lebens- oder Demokratiebejahung, „sondern dem deutschen Selbsthaß, der Nie-wieder-Stimmung, also einem pathologischen Ursprung“. Noch Fragen?

Schon. Zum Beispiel: Wer liest eigentlich diese Zeitung im 20. Jahr nach ihrer Gründung? Glaubt man Chefredakteur Stein, dann verkauft der Verlag derzeit pro Woche etwa 18.000 Exemplare, davon 3.000 am Kiosk. Ob das stimmt, lässt sich schwer beurteilen. Denn der offiziellen Auflagenkontrolle IVW ist die JF nicht angeschlossen. Laut Stein ist der Durchschnittsleser männlich und knapp vierzig Jahre alt. Wo er sich politisch zu Hause fühlt, habe der Verlag natürlich auch abgefragt, räumt der Chefredakteur auf Nachfrage ein: Die Unionswähler seien die größte Gruppe. Zur Begeisterung seiner Leserschaft für andere Parteien schweigt Stein lieber: „Das ist eine intime Sache.“

Ähnlich intim findet Stein offenbar auch Fragen nach den Finanzquellen des Medienunternehmens. In den letzten Jahren, so Stein, war zum Teil jeder fünfte Euro, den der Verlag ausgab, gespendet. Von wem die milden Gaben kamen, verrät der 38-Jährige, der die JF selbst mit gegründet hat, aber nicht.

Spenden dürften noch einige nötig sein, wenn es klappen soll mit dem Etappenziel, das Stein zum runden Geburtstag mit leichtem Hang zum Größenwahn verkündete: Bis 2016 solle die Zeitung eine Auflage von 100.000 Exemplaren erreichen und den Rheinischen Merkur auf dem Wochenzeitungsmarkt vom Platz zwei hinter der Zeit verdrängen.

Dabei bewertet sogar Chefgratulant Feldmeyer das Potenzial der rechten Stammlektüre eher vorsichtig: „Um als Zeitung nach oben zu kommen“, so Feldmeyer zur taz, „muss man wenigstens in einigen wichtigen Fragen das Lebensgefühl der Menschen treffen.“ Doch das sei bei der Jungen Freiheit derzeit nicht der Fall.

Und was trieb den künftigen Theodor-Wolff-Preisträger dazu, das umstrittene Blatt zum Zwanzigsten mit seinem Namen zu dekorieren? – Ganz einfach, erläutert der Ruheständler bereitwillig: Er verstehe sich als „radikaler Anhänger der praktizierten Meinungsfreiheit“ und sieht die ungeschriebenen Gesetze der Political Correctness als Gefahr für die Demokratie. Dagegen zu verstoßen, sei für ihn eine „große Versuchung, der ich immer gerne nachgebe“.

Ob Theodor Wolff das ähnlich gesehen hätte? Der wichtigste Leitartikler der Weimarer Republik und legendäre Chefredakteur des Berliner Tageblatts starb 1943 nach Gestapo-Haft.