Weiblichkeit als Schutzhaut

RETROSPEKTIVE Das Kino Arsenal ehrt die große französische Schauspielerin Catherine Deneuve mit einer Hommage in zehn Filmen

Catherine Deneuve prägte in „Belle de jour“ und „Tristana“ das surrealistische Kino von Luis Buñuel

VON CLAUDIA LENSSEN

Image ist ein Gut, kein Preisschild und schon gar kein Schicksal. Catherine Deneuve, die am 7. Dezember in Berlin den Ehrenpreis der Europäischen Filmakademie für ihr Lebenswerk entgegennimmt, zelebriert ihre undurchdringliche Leinwandpräsenz seit einem halben Jahrhundert, ohne sich je auf die Klischees ihres Ruhms einengen zu lassen. Unter ihren hundert Filmen sind zarte Musicals, schwüle Melodramen, Neo-Gothic-Thriller und Gesellschaftskomödien, die sie zur Ikone stilisierten, diesen Ruf aber ebenso oft ironisch unterliefen.

Catherine Deneuve prägte in „Belle de jour“ und „Tristana“ das surrealistische Kunstkino von Luis Buñuel. In Jacques Demys musikalischen Romanzen „Les Parapluies de Cherbourg“ und „Les Demoiselles de Rochefort“ war sie der Inbegriff unnahbarer Mädchenhaftigkeit, in Roman Polanskis „Ekel“ Paranoiaopfer und -täterin zugleich.

Die Arbeit an Nouvelle-Vague-Preziosen wie „La Sirène du Mississipi“ und „Le dernier Métro“ von François Truffaut brachte ihr laut eigenem Bekunden alles bei, was ihr am Kino wichtig ist. Filme, in denen ihre sensitive Nähe zu Frauen einen lesbischen Touch bekommt, sind seit Tony Scotts Vampir-Thriller „The Hunger“ (1983) und François Ozons „8 Frauen“ aus dem Kult um sie nicht mehr wegzudenken. Heute bringt sie das aktuelle französische Edelunterhaltungskino von André Techiné, Benoît Jacquot und Arnaud Desplechin zum Leuchten. In der US-Serie „Nip/Tuck“ gab sie eine Schönheits-OP-Süchtige von eleganter Noblesse, die sich die Asche ihres Liebsten als Brustimplantat in Herznähe einpflanzen lässt, und in Emmanuelle Bercots Roadmovie „Elle s’en va“ sieht man sie auf Tour zu ihrem vernachlässigten Enkel einen Pausenplausch unter französischen Provinzprolls einlegen.

Humor kann man Catherine Deneuve nicht absprechen. Auch in den bizarrsten Parts ist sie einfach „ganz da, ohne zu spielen“, wie sie in Anne Andreus Porträt „Belle et bien là“ als Kern ihrer Schauspielauffassung erklärt. Ihr Selbst hält sie diskret verborgen hinter der Leinwandpersona. Das Image rätselhafter Weiblichkeit, zeigt ihr Beispiel, kann auch eine glückliche Schutzhaut sein. Die „Aktrice der Träumerei“ (François Truffaut) macht sich zum Spiegel vielgestaltiger Projektionen, ohne sich ihnen vollkommen auszuliefern.

Nicht zufällig preist Catherine Deneuve die verströmende Sinnlichkeit von Marilyn Monroe als großes Kinogeschenk und distanziert sich zugleich von ihrem Vorbild. Sie hat im luxurierenden Biotop des französischen Films ihren eigenen Mythos souverän „überlebt“ und erweitert ihn immer neu um reife Frauenrollen.

Zerbrechlich spielte die 24-Jährige in „Belle de jour“ das Inbild einer unerfüllten, zum Nichtstun verurteilten bourgeoisen Gattin, die ihre masochistische Sexualität als Teilzeitprostituierte erleben oder wahnhaft erleiden lernt. Als blondes Gift reüssierte sie in „La sirène du Mississippi“ als Heiratsschwindlerin und lehrte Jean-Paul Belmondo, den Fake ihrer Liebe für wahr zu halten. Die behütete Tochter einer Pariser Schauspielerfamilie blondierte sich am Beginn ihrer Karriere den üppigen brünetten Schopf, der ihre ebenmäßigen Züge unterstrich, um sich besser von ihrer Partnerin Françoise Dorléac, ihrer geliebten, früh verstorbenen Schwester, zu unterscheiden. Das Spiel mit der Attraktion schillernder Gegensätze zieht sich durch ihre Karriere. So nahm Catherine Deneuve auch die Zumutungen ihres Berufs als Herausforderung an.

Aufnahmen ihrer Dreharbeiten mit Roger Vadim, mit dem sie privat liiert war und einen Sohn hat, zeigen das übergriffige Gehabe des Regisseurs. Buñuel, lässt sie durchblicken, belustigte sich zynisch über ihre Unerfahrenheit. In autobiografischen Äußerungen deutet sie ihre Beziehungen zu Regie- und Schauspielgrößen wie Marcello Mastroianni (dem Vater ihrer Tochter Chiara Mastroianni), François Truffaut und dem jungen Gérard Dépardieu an und resümiert gelassen, dass die Männer ihres Lebens mehr mit ihrer Kunst als mit ihr verbunden waren.

■ Hommage à Catherine Deneuve: 6. bis 11. 12., Kino Arsenal, Programm unter: www.arsenal-berlin.de