In die dritte Dimension

COMIC Die vielfältige Welt der aktuellen finnischen Comic-Szene – im Finnland-Institut gibt es jetzt dazu eine „Stichprobe“ zu sehen

■ Die Ausstellung „Stichprobe“ mit den Arbeiten von vier finnischen Comic-Künstlern im Finnland-Institut, Georgenstraße 24, zählt zu den flankierenden Veranstaltungen rund um die Frankfurter Buchmesse 2014, bei der Finnland das Gastland sein wird. Zu sehen ist die Ausstellung bis 5. Februar 2014, Mo. 10–17 Uhr, Di.–Do. 11–19 Uhr, Fr. 9–15 Uhr. Am 6. Dezember (Finnlands Nationalfeiertag) sowie zwischen 23. Dezember und 3. Januar ist geschlossen.

■ Mit dem „Comic-Atlas Finnland 2014“ erscheint im Januar beim Berliner Comicverlag Reprodukt ein Sammelband zur finnischen Comicszene, auch mit Beiträgen von Künstlern der „Stichprobe“-Ausstellung.

VON JAN TÖLVA

Der Schatten, den Tove Jansson, die Erfinderin der Mumins, noch heute auf den finnischen Comic wirft, ist ein langer. Wer es jedoch schafft, an ihr vorbeizuschauen, wird entdecken, dass, gemessen daran, wie klein Finnland ist, die dortige Comicszene viel zu bieten hat. Das zeigt auch eine Ausstellung mit vier jungen Comic-Künstlern im Finnland-Institut.

Kurator der Ausstellung mit dem Titel „Stichprobe“ ist Kalle Hakkola vom Helsinki Comic Zentrum. Natürlich sei Jansson wichtig, sagt er, doch die Geschichte des finnischen Comics reiche zurück bis in die Zeit, als Finnland um seine Unabhängigkeit von Russland kämpfte. „Politische Karikaturen spielten eine große Rolle damals, und das ist auch heute noch so.“

Für die Ausstellung in Berlin hatte Hakkola jedoch anderes im Sinn. „Meine Grundidee war es, das Medium des Comics von der Fläche auf die Ebene des Raums zu holen“, erzählt er – eine Aufgabenstellung, die die beteiligten Künstler auf recht unterschiedlich Art gelöst haben.

Besonders interessant ist die Herangehensweise von Hanneriina Moisseinen, die gleich völlig mit der Idee von Comics als gezeichneten Bildern bricht. Bei den gezeigten Originalen zu einigen Seiten ihres jüngst erschienenen Buchs „Isä“ („Vater“), in dem es vor allem um Tod und Abschied geht, handelt es sich nicht um Zeichnungen, sondern um mit verschiedenen Stoffen auf Schals genähte Bilder. „Wo ich herkomme, in Karelien, sind diese Art Schals Teil traditioneller Begräbnisrituale“, erklärt Moisseinen. „Sie werden nach dem Begräbnis mit ins Haus genommen, um die Geister der Toten noch einmal zu sich einzuladen.“

Der Gedanke, Bilder für Comics nicht zu zeichnen, sondern zu nähen, mag ungewöhnlich wirken. Er erscheint im Kontext der finnischen Sprache jedoch weniger abwegig als vielleicht anderswo. Immerhin bedeutet das finnische Wort für Comics, sarjakuva, nichts anderes als „Serie von Bildern“. Dass diese gezeichnet sein müssen, steht, anders als etwa beim französischen bande dessinée, nirgendwo geschrieben.

Da wundert es fast ein wenig, dass die anderen Ausstellenden nicht stärker mit der Idee des Zeichnens brechen. Zwar versuchen sich Mari Ahokoivu und Petteri Tikkanen durchaus gelungen an Installationen und holen so ihre Bilder vom Papier in den Raum, Marko Turunen jedoch geht mit seinen Bildern nicht wirklich über das herkömmliche Konzept von Comic-Ausstellungen als Sammlung gerahmter Originale hinaus. Hakkolas Wunsch, Comic und Kunst in der dritten Dimension zusammenzuführen, hat sich daher nur in Teilen erfüllt.

Dennoch gibt „Stichprobe“ mit den unterschiedlichen Stilen der Ausstellenden einen interessanten und vielfältigen ersten Eindruck der Welt des zeitgenössischen finnischen Comics. Und einen wirklichen Überblick über die kleine, aber ausgesprochen produktive Comicszene des Landes bekommt man dann mit dem „Comic Atlas Finnland“, der im Januar bei Reprodukt erscheinen wird und dessen feierliche Präsentation gleichzeitig der Schlusspunkt der „Stichprobe“-Ausstellung sein soll.