Opposition setzt Steinmeier unter Druck

Den Außenminister holt seine Vergangenheit als Kanzleramtschef ein: Die politische Verantwortung für die Bespitzelung von Journalisten soll jetzt im BND-Untersuchungsausschuss geklärt werden. Grüne und Linke empört über Geheimhaltungstaktik

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Welche Politiker und welche Behördenchefs wussten, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) Journalisten überwachte und Journalisten als Spitzel anwarb? Auf diese Frage gab es auch gestern im Innenausschuss des Bundestags keine Antwort – jedenfalls keine, die FDP, Linkspartei und Grüne zufrieden stellte. Im Gegenteil: Die Oppositionsfraktionen zeigten sich empört über neue Geheimhaltungsbeschlüsse der großen Koalition und griffen zum schärfsten Mittel, das sie haben: dem Untersuchungsausschuss. Dort soll nun die politische Verantwortung für die BND-Aktivitäten geklärt werden.

„Ich denke, dass persönliche Konsequenzen gezogen werden müssen“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Silke Stokar, der taz. Es habe „entweder ein Wissen der Verantwortlichen oder ein Versagen der Kontrolle“ gegeben. Wer wann was wusste, müsse geklärt werden, sagte FDP-Vertreter Max Stadler, die bisherigen Auskünfte nannte er „unzureichend“.

„Es geht vor allem um die Verantwortung von Steinmeier, Hanning und Uhrlau“, sagte der Linkspartei-Vertreter im parlamentarischen Kontrollgremium, Wolfgang Neskovic, der taz. Der heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) war als Kanzleramtschef unter Rot-Grün für die Geheimdienste zuständig. Zu dieser Zeit war der jetzige BND-Chef Ernst Uhrlau Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt. Der damalige BND-Chef August Hanning ist jetzt Innen-Staatssekretär. „Die vielen Personalwechsel und Rotationen zwischen Politik und Diensten machen die Aufklärung so schwierig“, sagte Stokar. Hinzu komme die mangelnde Auskunftsbereitschaft der Bundesregierung.

Der amtierende Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, und BND-Chef Uhrlau erschienen gestern zwar im Innenausschuss. Die große Koalition setzte jedoch durch, dass die Sitzung als geheim eingestuft wurde. „Es ist absurd, in einer geheimen Sitzung über die politische Verantwortung zu reden“, empörte sich Stokar. Zur Begründung für die Geheimhaltung sagte der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) der taz, es sei „Gepflogenheit im Innenausschuss, dass dem Wunsch eines Vortragenden nach Geheimhaltung gefolgt wird“. Uhrlau und Fritsche hätten „ein paar Dinge im Zusammenhang dargestellt, die nicht Teil des Schäfer-Berichts waren“. Der Bericht des früheren Bundesrichters Gerhard Schäfer zur Spitzelaffäre war in der vergangenen Woche gekürzt veröffentlicht worden. Die Originalfassung bekamen auch die Abgeordneten im Innenausschuss nicht zu sehen. Ein entsprechender Antrag wurde abgelehnt.

So komme man nicht weiter, befanden Grüne, FDP und Linkspartei. Das Thema Journalistenbespitzelung soll nun im bereits einberufenen Untersuchungsausschuss zur Rolle deutscher Behörden im Irakkrieg und so genannten Antiterrorkampf behandelt werden. Falls Union und SPD dies blockieren, könnte die Opposition einen neuen, gesonderten Ausschuss durchsetzen.

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