Verhandlungsspielraum nutzen

ARBEITSRECHT Für Beschäftigte kann der Jobverlust erträglicher werden, wenn sie eine angemessene Abfindung aushandeln. Einen Teil davon beansprucht aber das Finanzamt

■ Eine Abfindung ist eine einmalige Zahlung bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Weil der Kündigungsschutz jedoch auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses abzielt, sind dort Abfindungen für den Regelfall nicht vorgesehen. Doch um langwierige wie kostspielige Prozesse vor dem Arbeitsgericht zu vermeiden, schließen Arbeitgeber häufig außergerichtlich Abfindungsvergleiche.

VON HANNES KOCH

Gegenwärtig ist die Gefahr, den Arbeitsplatz durch Kündigung zu verlieren, nicht übermäßig hoch. Denn die Arbeitslosigkeit in Deutschland liegt niedrig – dementsprechend wenige Arbeitskräfte sind auf dem Markt, die die Unternehmen einstellen könnten. Wer dennoch von Kündigung betroffen ist, kann versuchen, eine angemessene Abfindung auszuhandeln. Dabei sollte man einkalkulieren, dass derartige Zahlungen versteuert werden müssen.

Die rechtliche Basis für die Höhe der Abfindungen findet sich unter anderem in den Paragraphen 1a, 9 und 10 des Kündigungsschutzgesetzes. Für den Fall, dass ein Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen kündigen will (§ 1a), sieht das Gesetz beispielsweise vor, dass dem Mitarbeiter pro Jahr der Beschäftigung im Betrieb eine Zahlung in Höhe eines halben Bruttomonatsverdienstes angeboten wird. Wenn der Mitarbeiter gegen die Kündigung nicht klagt, erhält er diese Abfindung. In anderen Konstellationen, die § 10 regelt, ist der Abfindungsanspruch auf 18 Monatsgehälter begrenzt – wenn das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis auflösen muss.

In der Praxis besteht allerdings erheblicher Verhandlungsspielraum, denn einen allgemeinen Anspruch auf eine Abfindung bei Entlassung gibt es nicht. Handlungsmöglichkeiten bieten sich, wenn Arbeitgeber, Arbeitnehmer und ihre Rechtsanwälte nicht auf ein Urteil des Arbeitsgerichtes warten wollen. „Wenn der Arbeitgeber sich das wirtschaftliche Risiko des Prozesses schnell abkaufen lassen will, kann die Höhe der Abfindung wesentlich über das gesetzliche Minimum hinausgehen“, sagt Arbeitsrechtler Marcus Bodem von der Berliner Niederlassung der internationalen Wirtschaftskanzlei Ecovis.

Ein idealtypisches Beispiel könnte so aussehen: Ein Elektroingenieur hat zehn Jahre in der Firma gearbeitet und zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von 8.000 Euro bezogen. Dem Anwalt des Arbeitnehmers mag es gelingen, das 1,5-Fache des Gehaltes als Faktor für die Berechnung der Abfindung herauszuhandeln. 12.000 Euro multipliziert mit zehn Jahren Betriebszugehörigkeit ergäben in diesem Falle 120.000 Euro – eine Summe, die den Abschied vom alten Job und die Suche nach einem neuen deutlich erträglicher gestaltet.

Die Arbeitnehmer müssen jedoch wissen, dass sie nicht die komplette Summe der Abfindung behalten. Schließlich stellen diese Entschädigungen Arbeitseinkommen dar und unterliegen deshalb der Einkommensteuer. Relevant sind hier die Paragrafen 24 und 34 des Einkommensteuergesetzes.

Grundsätzlich funktioniert die Regelung so: Fließt die Abfindung innerhalb eines Jahres, wird ein Fünftel der zusätzlichen Summe zum normalen steuerpflichtigen Jahresgehalt addiert. Im Endeffekt steigt der Grenzsteuersatz des Arbeitnehmers, er zahlt mehr Steuern. Bei einem Jahreseinkommen von beispielsweise 36.000 Euro und einer Abfindung von 10.000 Euro beträgt die zusätzliche Einkommensteuer 2.760 Euro. Gut ein Viertel der Abfindung fließt also an das Finanzamt.

Mitunter mag es aber ratsam sein, die ausgehandelte Summe nicht in einem Betrag auszahlen zu lassen, sondern sie über einen größeren Zeitraum zu verteilen. Möglicherweise sinkt dadurch die Steuer, weshalb sich ein vorheriger Besuch beim Steuerberater lohnen kann. Gesetzlich ist der Kündigungsschutz in Deutschland so organisiert, dass der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses Priorität hat und Abfindungen die Ausnahme darstellen sollen. Praktisch freilich spielt dieses Instrument eine bedeutende Rolle. Mitunter wollen Firmen Beschäftigte loswerden, wissen aber, dass ihre Argumente schwach sind. Entweder gelingt es dem Arbeitgeber in dieser Situation, sich zeitnah über die Konditionen einer Beendigung und einer möglichen Abfindung zu einigen, oder der Arbeitgeber kündigt den Beschäftigten und setzt danach alles daran, sich mit Hilfe des Arbeitsgerichts mit ihm zu verständigen.

Abfindungen gelten als Arbeitseinkommen und unterliegen der Einkommensteuer

Oft streben dann beide Seiten aus unterschiedlichsten Motiven an, bereits im ersten Gütetermin vor dem Arbeitsgericht über eine Abfindung zu verhandeln. Für das Unternehmen steht im Vordergrund, dass ihm ein langes Verfahren und die eventuelle spätere Lohnfortzahlung zu kostspielig sind. Die Arbeitnehmer hingegen wollen nach der Kündigung, die Ausdruck eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses ist, keinesfalls weiter im Betrieb arbeiten.

Je schwächer die Argumente des Arbeitgebers, desto größer sind die Chancen des Arbeitnehmers, eine hohe Abfindung zu erhalten, sagt Anwalt Bodem. Im Falle von § 1 des Kündigungsschutzgesetzes müssen die Unternehmen als Voraussetzung für eine wirksame betriebsbedingte Kündigung nachweisen, dass der konkrete Beschäftigungsbedarf für den Arbeitsplatz des jeweiligen Arbeitnehmers wegfällt. Dieser Nachweis ist oft schwer zu erbringen. Das macht sich positiv bei der Abfindung bemerkbar.

Bei der Verhandlung über die Höhe sollte der Arbeitnehmer nur die Frist für die Erhebung seiner Klage gegen eine Kündigung nicht aus den Augen verlieren. Drei Wochen nach Erhalt der Kündigung hat er Zeit zu klagen, danach ist alles vorbei und die Kündigung wirksam.