Endzeitstimmung bei Dynamo

FUSSBALL Der BFC Dynamo vergeigt den Aufstieg und den DFB-Pokal, Fans randalieren. Wie es nun weitergehen soll, weiß keiner im Club

„Jetzt muss man warten, ob es überhaupt weitergeht“

TRAINER HEIKO BONAN

Diejenigen, die beim BFC Dynamo etwas zu melden haben, scheinen echte Nachtschwärmer zu sein. So erklärte um genau 0.05 Uhr in der Nacht von vergangenen Mittwoch auf Donnerstag der Vizepräsident des Fußballclubs „aus persönlichen Gründen“ seinen Rücktritt. Nur einen Tag später, um exakt 0.01 Uhr, gab ein Sponsor „wegen beruflicher Belastung“ seinen Sitz im Wirtschaftsrat auf.

Vermutlich fielen beide Funktionäre den Nachbeben jenes Ereignisses zum Opfer, das am Mittwochabend den Jahnsportpark erschüttert hatte. In der Arena in Prenzlauer Berg verloren die favorisierten Dynamos aus Hohenschönhausen vor 3.100 Zuschauern das Endspiel um den Berliner Amateurpokal gegen den Weddinger Kontrahenten Ankaraspor Kulübü (BAK) mit 0:1 – und einige Fans daraufhin die Fassung: Etwa 100 Anhänger stürmten aus dem BFC-Block auf den Rasen und tobten sich aus. Die zur Siegesfeier angetretenen Mannschaften mussten mitsamt Verbandsfunktionären vor dem Mob in die Kabine flüchten. Die Polizei schritt ein und verhinderte Schlimmeres. Es wirkte wie ein Szene aus der überwunden geglaubten Vergangenheit, als Dynamo regelmäßig durch Randale Schlagzeilen machte.

Der auf der Haupttribüne sitzenden BAK-Gemeinde war die Feierstimmung vergangen. „Das sind Bilder, die wir nicht sehen wollen. Das darf man nicht tolerieren“, schimpfte auch Bernd Schultz, der Präsident des Berliner Fußballverbandes (BFV). Mit grimmiger Miene nahm er die Entschuldigung von Nico Thomaschewski zur Kenntnis, der die Eskalation bedauerte: „Was da passiert ist, das geht überhaupt nicht“, sagte der mutige BFC-Torwart, der sich Randalierern in den Weg gestellt hatte.

Doch weder der Dynamo-Präsident noch der Hauptsponsor des Clubs, die beide im Jahnsportpark gesichtet worden waren, erschienen persönlich, um Pardon zu sagen. Mit dünnen Worten, eingearbeitet in den Spielbericht vom Pokalfinale, hieß es auf der BFC-Homepage später lediglich: „Der BFC Dynamo distanziert sich von den sogenannten Fans, die in den Innenraum eingedrungen sind und somit dem Ruf des BFC Dynamo in der Öffentlichkeit geschadet haben.“ Bei der Analyse des Vorfalls werde sich der Verein „aktiv einbringen“.

Der Verband wertet jetzt den Polizeibericht und die Videoaufnahmen aus dem Krawall-Block aus und will dann eine Strafe für den BFC verhängen. Sogar ein Ausschluss Dynamos aus dem nächsten Pokalwettbewerb war im Gespräch. „Ich hoffe, dass der Verband Milde walten lässt“, sagte Dynamo-Trainer Heiko Bonan. Der Bonus des BFC, der sich nach früheren Ausschreitungen durch die Etablierung sozialer Projekte vom Schmuddelimage verabschiedet zu haben schien, könnte strafmildernd wirken.

Doch der Krawall, gepaart mit dem sportlichem Misserfolg, könnte dem BFC existenziellen Schaden zufügen. Welcher Sponsor wird schon gern mit Radaubrüdern in Verbindung gebracht? Das schienen auch die meisten Fans noch im Stadion zu begreifen: Endzeitstimmung machte sich deshalb unter ihnen breit nach dem Platzsturm und der Siegerehrung unter Polizeischutz. „Ich kenne die Stimmung im Verein und bei den Sponsoren nicht“, antwortete BFC-Sprecher Martin Richter auf die Frage nach internen Auswirkungen.

Nachdem Dynamo den angepeilten Aufstieg in die Regionalliga als Vizemeister verpasst und das Cup-Finale vergeigt hat – wodurch Einnahmen im DFB-Pokal flöten gingen –, ist die Zukunft des früheren DDR-Rekordmeisters fraglicher denn je. „Zweimal Zweiter – das ist für den BFC zu wenig“, gestand Keeper Thomaschewski. „Nach dem heutigen Abend muss man warten, ob es überhaupt weitergeht“, unkte Trainer Bonan. JÜRGEN SCHULZ