Watt kost’ die Wurst?

LANDWIRTSCHAFT Konventionell produzierte Bratwurst gibt es im Supermarkt zum Schnäppchenpreis. Wodurch kommt dieser Preis zustande, welches sind die wahren Kosten und was lässt sich ändern?

■ Harnstoff, Glukosesirup und Natronlauge – was nach einer fiesen Mischung aus dem Chemiebaukasten eines Grundschülers klingt, verwendete ein indischer Farmbesitzer im Herbst letzten Jahres, um Milch herzustellen. Mit Kuh- oder Büffelmilch und Wasser wurde das Gemisch in der Stadt Bhavnagar abgepackt und verkauft, bis die Lebensmittelbehörde eingriff.

Laut einer 2004 erschienenen Studie von Foodwatch kann ein Landwirt ein Kilo Schweinefleisch für durchschnittlich 1,43 Euro produzieren. Weitere 25 bis 31 Cent fallen an für den Transport zum Metzger, die Schlachtung und den Weg zum Großmarkt, wo das Fleisch für rund 2,13 Euro pro Kilo als Schweinehälften weitergehandelt wird.

Zu Bratwurst verarbeitet heißt das, dass ein Kilo im Discounter schon mit etwa 3,50 Euro zu haben ist. Verglichen mit einer Bratwurst aus dem Bio-Fachhandel, wo das Kilo etwa 17,90 Euro kostet, ist der Discounterpreis überaus niedrig. Die 3,50 Euro im Supermarkt sind aber nur die direkten Kosten und durch konventionelles Landwirtschaften kommen noch andere Ausgaben auf den Verbraucher zu.

Ein Beispiel dafür sieht Alexander Beck vom Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft in der Wasserverschmutzung. Künstliche Dünge- und Pflanzenschutzmittel sickern ins Grundwasser. „In Baden-Württemberg haben manche Regionen so große Probleme mit Verunreinigungen, dass Wasser über Pipelines aus dem Bodensee bezogen wird“, sagt Beck.

Aber auch Wasseraufbereitungsanlagen, die etwa Nitrate aus dem Wasser filtern, kosten Geld. Das schlägt sich im Wasserpreis nieder, der für alle Kunden steigt, aber nicht im Preis des Schnitzels im Geschäft. „Wenn der Verbraucher die Folgekosten beim Produkt mitzahlen müsste, wären Biolebensmittel nicht mehr teurer als konventionell produzierte“, erklärt Beck.

Anstatt explizit die ökologische Landwirtschaft zu fördern, wird die EU bei der gemeinsamen Agrarpolitik allein 2010 rund 60 Milliarden Euro in die europäische Landwirtschaft investieren und somit ihren Teil dazu beitragen, die Wasserverschmutzung durch konventionellen Landbau indirekt zu fördern.

Derzeit werden Agrarsubventionen vorwiegend als Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe verteilt. Die Höhe der Zahlungen orientiert sich dabei hauptsächlich an der Größe der zu bewirtschaftenden Fläche, nicht aber an Nachhaltigkeitskriterien. Doch es stehen Veränderungen an. Im Jahr 2013 läuft nicht nur die Verordnung über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raumes aus, auch die Finanzplanung für die Jahre 2014 bis 2021 muss neu verhandelt werden. Damit besteht die Chance zur grundlegenden Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik.

Frei nach dem Motto „Öffentliches Geld für öffentliche Güter“ fordern neben den Grünen auch eine Vielzahl von ökologisch interessierten Verbänden, dass Landwirtschaft nur dann gefördert werden soll, wenn sie auch im Sinne der Gesellschaft wirtschaftet. Darunter wird der Schutz der Umwelt und der Kulturlandschaften verstanden, die von der industriellen Ausbeutung der Landwirtschaft bedroht sind. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat dazu einen Reformvorschlag zur konkreten Gestaltung der Agrarförderung vorgestellt. In diesem bildet eine ökologische Grundprämie die Basis für die Agrarsubventionen der EU, die ausschließlich an Betriebe vergeben werden soll, die mindestens zehn Prozent ihrer landwirtschaftlich genutzten Flächen unter Beachtung ökologischer Mindeststandards bewirtschaften. Punktuelle Maßnahmen sollen ergänzend die Erhaltung besonderer Kulturlandschaften wie Moore oder Flussauen gewähren.

Trotz der vorgebrachten Argumente sprach sich Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner im April auf der Konferenz zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik in Kopenhagen für die Beibehaltung der üblichen Form der Direktzahlungen aus. „Gerade in weniger begünstigten Gebieten ist die Landwirtschaft eine treibende Kraft im ländlichen Wirtschaftskreislauf. Sie schafft Arbeit und Einkommen. Das soll auch so bleiben“, bekräftigte Aigner. Damit stellt sie die Sicherung ökonomischer Ziele eindeutig in den Vordergrund.

Auf der Internetseite der Europäischen Kommission läuft derzeit eine Online-Umfrage, die die Bürger der EU in den Entscheidungsprozess mit einbinden soll. Noch bis zum 11. Juni kann sich jedermann, ob Landwirt oder nicht, an dem Projekt beteiligen und eigene Ideen und Verbesserungsvorschläge einreichen. Mehr als 2.500 Beiträge sind bereits eingegangen. Die Ergebnisse der Umfrage sollen im Juli auf einer Konferenz in Brüssel vorgestellt werden.

Eine endgültige Entscheidung darüber, wie das Geld verteilt werden soll, ist bis 2013 fällig. Bis dahin ist der Grillabend konventioneller Art auch weiterhin für wenig Geld zu haben.

FRANZISKA BOCK, MÜSLIPÄPSTIN
ERMIAS SEYOUM, FLEXITARIER
JOHANNES KIEFL,

FLEISCHWURSTVEREHRER