CHINA/INDIEN: KONKURRENZ DER UMWELTPOLITIK VON OBEN UND UNTEN
: Ökologie im Dienst der KP

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer verglich die Umweltverschmutzung in China kürzlich mit der Lage in der DDR-Chemiestadt Bitterfeld Ende der 80er-Jahre. Wie richtig er damit lag, zeigt das neue Pekinger Umwelt-Weißbuch. Es enthüllt eine immer schon geahnte Öko-Katastrophe. 200 Milliarden Dollar Umweltschäden im Jahr sind ein hübsches Sümmchen, das im gar nicht so reichen China dem derzeitigen Wirtschaftswachstum von zehn Prozent entspricht. Dass dieser Verlust nun offiziell verbucht statt wie bisher verschwiegen wird, ist ein Schuldbekenntnis der Pekinger Reformer.

Die Zahl selbst – 200 Milliarden Dollar – bleibt zwar wie jede Pekinger Regierungsangabe bestreitbar. Unstreitig aber hat sich das KP-Regime eine neue Messlatte gelegt. Was früher die erfolgreiche Armutsbekämpfung lieferte, soll in Zukunft die Begrenzung der Umweltschäden erbringen: Endlich wittert die Partei eine Chance für die Erneuerung ihrer längst verbrauchten moralischen Legitimation. Denn sie denkt: Was ist für ein autoritäres Regime einfacher als Umweltschutz? Ökologie von oben als Beispiel für verantwortungsvolle Global Governance, lautet die neue KP-Formel.

Und schon steht China mitten in einem spannenden Zukunftswettbewerb mit Indien, das bisher mit Hilfe von zehntausenden aktiven Umweltbasisorganisationen das Prinzip Ökologie von unten zu praktizieren versucht. Nicht ohne Erfolg, aber nun hat auch Indien zehn Prozent Wachstum. Hält die indische Umweltbasis diesem Druck Stand? Oder werden sechs von zehn der am meisten luftverschmutzten Städte der Welt bald in Indien statt wie bisher in China liegen? Kann die KP nach ihrem Markt- auch ihr Ökomodell schneller und effektiver durchsetzen?

Einst war das Ruhrgebiet so voller Kohlestaub wie Tokio und Osaka. In Deutschland kam die Ökobewegung von unten, in Japan gelang Umweltschutz als Bürokratenprojekt von oben. Gemeinsam sind Deutschland und Japan heute zwei tragenden Mächte des Kioto-Protokolls zum Klimaschutz. China und Indien können sich ähnlich ergänzen. GEORG BLUME