Der Meiler darf durchleuchtet werden

KRÜMMEL-AKTEN Vertrauliche Unterlagen über Sicherheitsvorkehrungen im AKW müssen Oberverwaltungsgericht vorgelegt werden

„Das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung muss hier zurückstehen“

ANWALTSKANZLEI WEISSLEDER & EWER

Sogar Juristen können sich bisweilen verständlich ausdrücken: „Die Akten werden vorgelegt“, hat das schleswig-holsteinische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Schleswig beschlossen und zur Klarstellung hinzugefügt: „Dieser Beschluss ist unanfechtbar.“ Zwei kurze und knappe Sätze mit gehörigem politischen Sprengstoff: Die geheimen Unterlagen über die Sicherheitsvorkehrungen im Atomkraftwerk Krümmel, das ist der Kern des OVG-Beschlusses, müssen dem Gericht zugänglich gemacht werden. Das hatte die Atomaufsicht des Landes Schleswig-Holstein bisher verweigert.

Das OVG verhandelt über eine Klage des ehemaligen grünen Abgeordneten im niedersächsischen Landtag, Andreas Meihsies, auf Widerruf der Betriebserlaubnis für Krümmel. Der in Lüneburg 17 Kilometer vom Vattenfall-AKW entfernt wohnende Meihsies bezweifelt, dass dieses den – zufälligen oder gezielten – Absturz eines Flugzeugs unbeschadet überstehen könne. Ende vorigen Jahres forderte deshalb das OVG die Atomaufsicht auf, Unterlagen über die Sicherheitsvorkehrungen vorzulegen.

„Die Übersendung der angesprochenen Unterlagen kommt weitgehend nicht in Betracht“, teilte jedoch die Kieler Anwaltskanzlei Weissleder & Ewer dem Gericht im März im Auftrag des Landes mit und versuchte, die Justiz in ihre Grenzen zu weisen: „Das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung und an einer lückenlosen Sachverhaltsaufklärung muss hier zurückstehen.“

Das OVG verpflichtet nun jedoch die Atomaufsicht, die angeforderten zwölf Konzepte, Gutachten und Untersuchungsberichte dem „Geheimdienstsenat“ des OVG vorzulegen. Der entscheidet hinter verschlossenen Türen, welche Akten im öffentlichen Hauptverfahren vorzulegen sind, um das Sicherheitskonzept des Meilers überprüfen zu können.

Wolfgang Cloosters, Leiter der Kieler Atomaufsicht, bestätigt den Eingang des OVG-Entscheids. „Dieser Beschluss ist umzusetzen“, räumt er ein, „wir werden die Akten vorlegen.“ Und Meihsies atmet auf: „Endlich hat dieses Rumgezicke ein Ende, jetzt können wir wieder inhaltlich werden.“ SVEN-MICHAEL VEIT