Zentralabi mängelhaft

Lehrer kritisieren die Probeklausuren zum Zentralabitur: schlechte Noten, unlösbare Aufgaben. Das soll aber kein Nachteil für die Schüler sein – „im Gegenteil“, verspricht das Ministerium

VON KATHARINA HEIMEIER

Nordrhein-Westfalens Lehrer schlagen nach der Korrektur der Probeklausuren für das neue Zentralabitur Alarm. In Mathe und Bio seien die Aufgaben deutlich schwerer gewesen als bei den Prüfungen, die die Schulen bisher selber stellten.

„Nach den Rückmeldungen, die ich bekommen habe, sollen die Aufgaben in Bio nicht lösbar gewesen sein“, sagte Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbandes NRW, in dem Gymnasiallehrer organisiert sind. In der Probeklausur für Bio-Grundkurse ging es um die Erbkrankheit Mukoviszidose. An einer Essener Gesamtschule sind laut Neue Ruhr Zeitung die Noten der Probearbeiten im Schnitt ein Drittel schlechter gewesen als bei früheren Klausuren. Aus einer drei minus wurde beispielsweise eine vier plus.

Rund 750 Gymnasien und Gesamtschulen haben in den Fächern Deutsch, Englisch, Bio, Geschichte und Mathe den Probedurchlauf für das Zentralabitur 2007 geschrieben. Die Ansprüche sind dabei nach Angaben von Silbernagel von Fach zu Fach unterschiedlich gewesen. Während die Deutschkurse Gedichte auf dem Niveau der zehnten Klasse interpretieren sollten, mussten sich die Mathekurse mit langen Textaufgaben herum schlagen und erst eine Aufgabe um zwei Flugzeuge und ihre Flugbahnen entschlüsseln, bevor sie mit der Kurvendiskussion beginnen konnten. Werner Kerski von der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule in NRW sagte dazu: „Früher zeichneten sich die Matheklausuren durch eine Textknappheit aus. Die Aufgaben waren jetzt sehr textlastig.“ Damit folge die schwarz-gelbe Landesregierung aber einem internationalen pädagogischen Trend. „Das ist natürlich schlecht für Schüler, die sich mit Textaufgaben etwas schwerer tun, beispielsweise für Kinder mit Migrationshintergrund“, sagte Kerski. Er habe aber von guten Erfahrungen zweier Gesamtschulen mit den zentral gestellten Aufgaben gehört.

Das Schulministerium hält sich noch bedeckt mit Aussagen zu den Ergebnissen des Probelaufs. „Dazu können wir noch nichts Konkretes sagen. Die Korrekturphase läuft noch bis zum 12. Juni“, sagte eine Mitarbeiterin des Ministeriums zur taz. Erst dann würden die Lehrer die Daten hochladen, die dann zentral ausgewertet würden. Im Ministerium hätten Lehrer und Schüler angerufen, die sich beschweren wollten, aber auch solche, die zufrieden gewesen seien. Schulministerin Barbara Sommer (CDU) hatte sich direkt nach der Klausurenphase optimistisch gezeigt und gesagt: „Der Testlauf hat nahezu reibungslos geklappt.“

„Zweckoptimismus“ nennt das Silbernagel vom Philologenverband. „Bei der Erarbeitung der Aufgaben für die Abiprüfungen im nächsten Jahr sollten die Erfahrungen der Schulen sehr ernst genommen werden“, fordert er. Die Schüler sollten zwischen mehr Aufgaben wählen können.

Den Lehrern an Gymnasien prophezeite er für das kommende Jahr eine hohe Arbeitsbelastung. Zum Zentralabitur kämen noch die Abschlussprüfungen nach der zehnten Klasse und die Lernstandserhebungen in Klasse acht – „drei Prüfungsverfahren innerhalb von neun Wochen, das bedeutet für die Lehrer Prüfungen an 40 von 44 Tagen“, sagt Silbernagel.

Für die Schüler, die im nächsten Jahr das erste nordrhein-westfälische Zentralabitur schreiben, befürchtet er aber keine Nachteile. „Man wird wohl vorsichtig genug sein, und nicht zu anspruchsvolle Aufgaben stellen. Die Politik hat ja ein Interesse daran, dass es ein Erfolg wird.“ Auch das Ministerium verspricht: „Die Schüler werden nicht die Leidtragenden sein – im Gegenteil.“