Wütend und ratlos

WAS TUN Die EU will zwischen Regierung und Opposition in Kiew vermitteln, doch auf wichtige Fragen hat sie keine Antwort

BRÜSSEL taz | Bleibt sie, oder bleibt sie nicht? Das war am Mittwoch in Brüssel die große Frage, nachdem EU-Außenvertreterin Catherine Ashton eine Nacht der Gewalt in Kiew erlebt hatte. Am Dienstag hatte die Politikerin sich noch drei Stunden lang mit Präsident Wiktor Janukowitsch unterhalten und eine friedliche Lösung der Krise gefordert. Kurz danach marschierten in der ukrainischen Hauptstadt Sondereinheiten auf.

„Sie ist extrem enttäuscht“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Doch die Frage, ob Ashton ihre Vermittlungsmission verlängert oder ob sie unter Protest nach Brüssel abreist, wollte er nicht beantworten. „Die Lösung des Problems liegt in Kiew“, war die einzige Reaktion.

Offenbar ist die EU mit ihrem Latein am Ende. Dass Ashton in die Ukraine geschickt wurde, war ein Alarmsignal. Die Britin ist nämlich gar nicht für Östliche Partnerschaft zuständig, sondern für internationale Krisenherde. Normalerweise wäre Erweiterungskommissar Stefan Füle der richtige Mann für Kiew gewesen. Doch dem Tschechen traut man eine Krisenbewältigung wohl nicht zu. Er lässt immer wieder Zweifel an der offiziellen Haltung der EU durchscheinen.

Bisher bietet Brüssel der Ukraine nur ein Assoziierungsabkommen an, keinen EU-Beitritt. Füle geht das offenbar nicht weit genug. Das Land müsse „Licht am Ende des Tunnels“ sehen, sagte er bei einer Debatte im Europaparlament in Straßburg. Dieser Meinung sind viele Osteuropäer, doch sie konnten sich damit bisher nicht durchsetzen. Die Ukraine habe eine „europäische Bestimmung“, es gehe um eine „Annäherung“, betont die Kommission. Doch was das konkret bedeutet, bleibt offen.

Unklar bleibt auch, was eine Annäherung der Ukraine an die EU die Europäer kosten würde. Der Regierungschef der Ukraine, Mykola Asarow, forderte am Mittwoch eine Finanzspritze von rund 20 Milliarden Euro. „Wir wollen Bedingungen schaffen, um die Verluste für die ukrainische Wirtschaft zu verringern“, sagte er mit Blick auf das geplante Assoziierungsabkommen, das auch eine weitgehende Liberalisierung des Handels vorsieht.

Die EU-Kommission wies dies zurück. Die vorliegenden Verträge seien „gut für den Wohlstand der Ukraine“, konterte Kommissionssprecher Olivier Bailly. Man werde sich nicht auf „Zahlenspiele“ einlassen. Doch die Forderung liegt auf dem Tisch. Und die Kosten dürften nicht geringer werden, wenn die Opposition in Kiew siegt. ERIC BONSE