NRW-Arbeitsminister entlastet Wirtschaft

CDU-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann begegnet der desaströsen Ausbildungssituation mit neuen Alternativen: Durch kürzere oder rein schulische Ausbildungen will er Langzeit-Lehrstellenlosen Erfolgserlebnisse verschaffen

DÜSSELDORF taz ■ Mit abgespeckten Lehrberufen für „theorieschwache“ Jugendliche und vollzeitschulischen Ausbildungen für so genannte Altbewerber will NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) die katastrophale Ausbildungssituation in den Griff bekommen. Nach einem Treffen mit den Mitgliedern des Ausbildungskonsenses NRW gab sich der Minister gestern zuversichtlich: „Auch die Gewerkschaften können sich inzwischen mit unseren Vorschlägen anfreunden.“ Der Ausbildungskonsens, an dem auch Arbeitgeber, Kammern und die Arbeitsagenturen beteiligt sind, sei „eine klasse Grundlage“, um mit den Problemen auf dem Ausbildungsmarkt fertig zu werden.

Das nennt sich wohl Zweckoptimismus: Insgesamt suchen zurzeit knapp 74.000 Jugendliche eine Lehrstelle. Seit Jahren sinkt die Zahl der Ausbildungsplätze bei einem gleichzeitigen Anstieg der Schulabgänger. Vergangene Woche berichtete die Agentur für Arbeit, dass jeder zweite Lehrstellensuchende in NRW ein so genannter Altbewerber ist. Mit anderen Worten: 51 Prozent der knapp 130.000 Jugendlichen, die sich bei den Arbeitsagenturen gemeldet haben, warten seit mindestens einem Jahr vergeblich auf einen Ausbildungsplatz.

Im Ausbildungskonsens habe man sich jetzt geeinigt, so Laumann, eine große Zahl von ihnen ab Februar 2006 auf Berufsschulen auszubilden. Für theoriemüde Jugendliche soll es in Zukunft außerdem möglich sein, etwa eine Ausbildung zum Änderungsschneider, Maler oder zur Fachkraft für Tiefbau früher beenden zu können – bisher sei dies nur für Altenpflegehelferinnen und Autoservicemechaniker möglich gewesen. Die absolvierten Module würden dann in einen Ausbildungspass eingetragen. „Wir haben jahrelang den Jugendlichen gesagt, was sie nicht können. Jetzt müssen wir ihnen einmal Erfolgserlebnisse verschaffen“, so Laumann.

Die verkürzte Ausbildung soll auch nach mehrjähriger Berufspraxis zu Ende gebracht werden. Angestellt und betreut werden die Jugendlichen von den Bildungswerken der Handwerks- und Industriekammern, für die Vergütung will das Land zusammen mit dem Europäischen Sozialfonds aufkommen. „Ich will die Wirtschaft so wenig möglich belasten“, sagte der Arbeitsminister.

Noch vergangene Woche hatte derselbe im Landtag die Ausbildungsleistung der Wirtschaft scharf kritisiert. Nur jedes Unternehmen, das ausbilden könnte, tue dies auch – das habe „mit sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu tun.“ Obwohl Laumann auf Nachfrage die Kritik erneuerte, lehnte er eine Abgabe für ausbildungsunwillige Unternehmen ab: „Damit können sich die Betriebe freikaufen.“ Man wolle weiter darauf setzen, dass Betriebe, vor allem auch Migrantenunternehmen, ausbilden. „Außerdem hat auch die andere Partei die Idee einer Ausbildungsumlage verworfen.“

Der Fraktionsvorsitzende der „anderen Partei“, SPD-Fraktionsvize Rainer Schmeltzer, lobte Laumann dafür, dass sich der Arbeitsminister „endlich selbst um die Notlage auf dem Ausbildungsmarkt kümmere“. Die Grünen warfen Laumann Untätigkeit vor. Seine Politik der ruhigen Hand werde dazu führen, „dass wieder Tausende von Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz da stehen“, sagte Fraktionsvize Barbara Steffens.

NATALIE WIESMANN